Venusdurchgänge

Venustransits

Venusdurchgänge vor der Sonnenscheibe

Dass die Venus sichtbar vor der Sonne vorüberzieht, kommt nur zweimal in einem Jahrhundert vor. Langfristig gerechnet sogar seltener. Dieses Ereignis unterliegt einem seltsamen Rhythmus: 8 – 121.5 – 8 – 105.5 – 8 – 121.5 Jahre, u.s.w.

Johannes Kepler berechnete einen Venustransit für 1631 voraus. Dieser war aber von Europa aus nicht sichtbar. Acht Jahre später beobachtete der englische Geistliche Jeremiah Horrocks erstmals einen Venustransit. Auf dringliche Empfehlung von Edmond Halley schenkten die Wissenschaftler den beiden Transits 1761 und 1769 im Rahmen einer gigantischen internationalen Zusammenarbeit viel Beachtung. Sie wollten mittels Messungen die Entfernung zwischen der Erde und der Sonne bestimmen (Sonnenparallaxe, Astronomische Einheit). Die Erwartungen an die Genauigkeit erfüllten sich damals jedoch nicht. So nutzte man die zwei Venusdurchgänge im 19. Jahrhundert (1874 und 1882) für denselben Zweck. Dank moderneren Mitteln und Methoden konnten die Abweichungen enger eingegrenzt werden, doch noch immer war die Gelehrtenwelt nicht zufrieden. Bereits zu jener Zeit verfügte man über bessere Methoden zur Bestimmung der gesuchten Zahl. Und 1976 wurde mittels der Radarechomethode der heute gültige Wert von 149.6 Mio. km auf wenige Meter genau ermittelt – eine Genauigkeit, die mit Parallaxenmessungen niemals zu haben ist. Im 20. Jahrhundert gab es keine Venustransite. Erst anfangs des 21. Jahrhunderts ereigneten sich wieder ein Paar in einem Abstand von acht Jahren. Allerdings verloren die zwei Venusdurchgänge von 2004 und 2012 etwas von ihrem früheren Zauber. Zur Entfernungsbestimmung nutzte sie niemand mehr. Es war fast nur noch die Amateur-Astronomenwelt, die den beiden Ereignissen entgegenfieberten.
So auch der Sternwartenverein von Rümlang.

Illustration James Ferguson (NASA Goddard Space Flight Center)
Modell des Venusdurchgangs, das Benjamin Cole 1761 für die Royal Society gefertigt hat. - - Model of the transit of Venus made by Benjamin Cole for the Royal Society in 1761

Venus transits across the solar disc

Venus visibly passing in front of the Sun only happens twice in a century. In the long term, even more rarely. This event is subject to a strange rhythm: 8 – 121.5 – 8 – 105.5 – 8 – 121.5 years, and so on.

Johannes Kepler predicted a transit of Venus for the year 1631. However, it was not visible from Europe. Eight years later, the English clergyman Jeremiah Horrocks observed a transit of Venus for the first time. On the urgent recommendation of Edmond Halley, scientists paid much attention to the two transits in 1761 and 1769 as part of a gigantic international collaboration. They wanted to use measurements to determine the distance between the Earth and the Sun (solar parallax, astronomical unit). However, the expectations of accuracy were not fulfilled at the time. Therefore, the two Venus transits in the 19th century (1874 and 1882) were used for the same purpose. Thanks to more modern means and methods, the deviations could be narrowed down, but scholars were still not satisfied. By then, better methods were available to determine the number they were looking for. And in 1976, using the radar echo method, the now valid value of 149.6 million km was determined to within a few metres – an accuracy that can never be had with parallax measurements. There were no Venus transits in the 20th century. Only at the beginning of the 21st century did a pair occur again at an interval of eight years. However, the two Venus transits of 2004 and 2012 lost some of their earlier magic. No one used them for distance determination any more. It was almost only the amateur astronomers who were eagerly awaiting the two events.
So was the observatory club of Ruemlang.

8. Juni 2004

Monate im Voraus hatte sich die Sternwarte Rümlang, deren Präsident ich damals war, auf dieses Ereignis vorbereitet. Mit einer Informationssäule, mehreren mobilen Teleskopen, einer Videopräsentation über die Geschichte der Astronomischen Einheit sowie einem Getränkebuffet wurden die Areale um die Sternwarte und um den alten Holzschuppen in der Nähe in einen kleinen Erlebnispark verwandelt.

Während der ganzen Veranstaltung war weit und breit keine Wolke zu sehen. Diese kurze Sonnenperiode mutete jedoch wie ein Sechser im Lotto an, denn vor und nach diesem Jahrhundertereignis herrschte bei uns eher mieses Wetter!

Nur etwa 45° im Uhrzeigersinn von der Eintrittsstelle der Venus bäumte sich eine spektakuläre riesige Protuberanz etwa einen Neuntel Sonnendurchmesser vom Sonnenrand auf (ca. 150’000 km oder 12 Erddurchmesser!), die sich allerdings erstaunlich schnell zerzauste und schon eine Stunde später verblasste.

Sun in H-alpha, Camera Olympus Camedia C5050, Borg 76ED/500, Coronado Solarmax 40, ISO 64, f=500 mm, F/6.6, 1/400 sec., Ruemlang, 08.06.2004 07:37:14 CEST, cropped image
Für Schulklassen benutzten wir ein solches Kartonmodell. - - For school classes we used such a cardboard model.
Sonnenprojektion in einem Solarscope. - - Solar projection in a solar scope.

8 June 2004

Months in advance, the Ruemlang Observatory, of which I was president at the time, had prepared for this event. With an information pillar, several mobile telescopes, a video presentation about the history of the Astronomical Unit and a drinks buffet, the areas around the observatory and an old wooden shed nearby were transformed into a small adventure park.

During the whole event there was not a cloud to be seen as far as the eye could reach. However, this short period of sunshine seemed like winning the lottery, because before and after this event of the century we had rather bad weather!

Only about 45° clockwise from Venus‘ entry point, a spectacular huge prominence reared up about a ninth of a Sun’s diameter from the edge of the Sun (about 150’000 km or 12 Earth diameters!), but it dishevelled amazingly quickly and faded away just an hour later.

... und so sah der Himmel am Nachmittag aus. - - ... and this is what the sky looked like in the afternoon.

6. Juni 2012

Für diesen zweiten Venusdurchgang klangen die Wetterprognosen vernichtend! Am Vorabend um 18:40 Uhr rief ich den persönlichen Wetterdienst an. Der Meteorologe stellte keine Chance in Aussicht, das Phänomen zu sehen. Hohe Zirren eines Warmfrontausläufers und eine hundertprozentige, lückenlose mittlere Bewölkung einer Kaltfront würden jede Sicht auf die Sonne versperren. Er rechnete jedoch um die fragliche Zeit nicht mit Regen. Ich telefonierte mit allen beteiligten Demonstratoren der Sternwarte Rümlang. Trotz der Aussichtslosigkeit, einfach angesichts der Seltenheit dieses Ereignisses, beschlossen wir, die Veranstaltung anzusagen und für interessierte Gäste wenigstens präsent zu sein. Unsere Ansage auf dem Sternwarten-Telefonbeantworter lautete:

  • «Die Chancen stehen leider nicht gut, vom Venusdurchgang am frühen Morgen des Mittwoch, 6. Juni etwas zu sehen. Noch viel geringer aber stehen die Chancen, den nächsten Venusdurchgang in 105 Jahren zu erleben! Deshalb wagen wir es, die Veranstaltung durchzuführen.»

Unsere Beharrlichkeit wurde belohnt!

Während des Einrichtens der Instrumente auf dem Areal fielen ein paar Regentropfen. Hier hörte die Verlässlichkeit der persönlichen Wetterberatung von gestern bereits auf! Denn diese sagte Regen erst gegen Mittag vorher. Allerdings hörte es schon nach wenigen Minuten zu regnen auf. Wieder stellten wir etliche private, mobile Beobachtungsinstrumente auf und richteten den alten Holzschopf für eine Videopräsentation ein. Trotz der Aussichtslosigkeit waren etwa 50 Gäste unserem Aufruf gefolgt, und wir verkauften sogar etwa 30 Sonnenfinsternisbrillen! Allmählich hellte sich der Horizont auf, und die Sonne kündigte sich durch einen hellen Saum an der Wolkenbank an. Die Aufregung war gross, als die Sonne sich dann um 06:15 Uhr tatsächlich recht deutlich aus diesem Gewölk befreite! Und plötzlich – da war sie, die Venus auf der Sonnenscheibe! Wie entsprechend vorgewarnt durch unsere Ansage kamen die Gäste alle ohne grosse Hoffnung. Umso grösser die Freude, die bei allen spürbar war! Dreizehn Minuten Sonne – also bis 06:28 Uhr – waren uns für die Beobachtung beschieden! Der Austritt der Venus aus der Sonnescheibe begann wenige Minuten später – zwischen etwa 06:38 und 06:55 Uhr. Viel verpassten wir also nicht mehr!

Ich brachte es nicht übers Herz, mein Teleskop für die Fotografie umzurüsten, denn ich wollte die Gäste beobachten lassen. Dementsprechend ist meinerseits keine vernünftige Aufnahme entstanden, lediglich ein verzweifelter Versuch freihändig mit der Kamera und dem aufgesetzten Universalobjektiv (Fotodaten: Canon EOS 350D, ISO 100, f=135 mm, F/36, 1/4000 Sekunde). Meine eigene Aufnahme unten ist ein Murks von Bildbearbeitung, um die Venus wenigstens nachweisen zu können.

Einem unserer Demonstratoren, Ernst Schütz, ist aber durch seinen Orion ED Refraktor 80mm, f = 600 mm (F/7.5) eine hervorragende Aufnahme gelungen (siehe oben).

Uns Zeitgenossen des frühen 21. Jahrhunderts war also ungeheures Glück beschieden, dass wir beide Ereignisse, die in unsere Lebensspanne fielen, eindrücklich erleben konnten. Kaum jemand, der das Ereignis 2012 gesehen hat, dürfte den nächsten Venusdurchgang im Jahr 2117 noch erleben!

05:42 MESZ: Der Himmel total bedeckt. Anfänglich fielen sogar ein paar Regentropfen! - - 05:42 CEST: The sky was totally overcast. Initially there were even a few raindrops!
Die Venus auf der Sonnenscheibe (Bild aufgenommen von Ernst Schütz mit seinem Fernrohr ORION 60/800 mit Weisslichtfilter). - - Venus on the solar disk (photo taken by Ernst Schuetz with his ORION 60/800 telescope with white light filter).
Während der bangen Wartezeit unterhielten wir die Gäste mit einer Bildpräsentation im Holzschuppen. - - During the anxious wait, we entertained the guests with a picture presentation in the wooden shed.
Dank leichter Abschattung durch das Wolkenband und mittels extremer Abdunkelung im Bildbearbeitungsprogramm lässt sich die Venus gerade knapp sichtbar machen (Bild: Walter Bersinger). - - Thanks to slight shading by the cloud band and extreme darkening in the image processing programme, Venus can just barely be made visible (Photo: Walter Bersinger).

6 June 2012

For this second Venus transit, the weather forecasts sounded devastating! The evening before at 18:40 hrs I called the personal weather service. The meteorologist held out no chance of seeing the phenomenon. High cirrus clouds from the edge of a warm front and a one hundred percent mid cloud cover from a cold front would block any view of the sun. However, he did not expect rain at the time in question. I phoned all the demonstrators involved at the Ruemlang observatory. Despite the hopelessness, simply given the rarity of this event, we decided to announce the event and at least be present for interested guests. Our voice mail on the observatory telephone number read:

  • «Unfortunately, the chances are not good to see anything of the transit of Venus on the early morning of Wednesday, 6 June. But the chances of seeing the next transit of Venus in 105 years are even slimmer! That is why we dare to conduct the event.»

Our persistence was rewarded!

A few raindrops fell while we were setting up the instruments on the site. This is where the reliability of yesterday’s personal weather advisory already came to an end! It predicted rain only around noon. However, it stopped raining after a few minutes. Again, we set up several private, mobile observation instruments and set up the old wooden shed for a video presentation. Despite the hopelessness, about 50 guests followed our call, and we even sold about 30 pairs of eclipse shades! Gradually, the horizon brightened and the sun announced itself by a bright fringe on the cloud bank. The excitement was great when the sun actually broke free from this cloud bank quite clearly at 06:15! And suddenly – there it was, Venus in front of the solar disc! As they had been warned by our announcement, the guests all came without much hope. All the greater was the joy that was palpable in everyone! Thirteen minutes of sunlight – until 06:28 – were allotted to us for observation! Venus‘ exit from the solar disk began a few minutes later – between about 06:38 and 06:55. So we did not miss much!

I did not have the heart to convert my telescope for photography, because I wanted to let the guests observe. Accordingly, no decent shot was taken on my part, just a desperate attempt freehand with the camera and the attached universal lens (photo data: Canon EOS 350D, ISO 100, f=135 mm, F/36, 1/4000 second). My own shot shown below is a botch of image processing to at least be able to show Venus.

However, one of our demonstrators, Ernst Schuetz, succeeded in taking an excellent image through his Orion ED refractor 80mm, f = 600 mm (F/7.5) (see further above).

We contemporaries of the early 21st century were therefore incredibly lucky to be able to experience both events, which fell within our lifetime, in an impressive way. Hardly anyone who saw the 2012 event is likely to live to see the next Venus transit in 2117!

06:13 MESZ: Allmählich befreite sich die Sonne aus den Wolken. - - 06:13 CEST: Gradually the sun broke free from the clouds.