Mendelssohn-Reise 1847

Mendelssohn Journey 1847

Die Kalenderdaten basieren auf den datierten Aquarellen. Die gestrichelten Linien deuten an, dass der genaue Reiseweg unbekannt ist. - - The calendar dates are based on the dated watercolours. The dotted lines indicate that the exact route of the journey is unknown. Keller's Reisecharte der Schweiz. Zürich : Füessli und Comp. Comm., 1820. Zentralbibliothek Zürich, 4 Hb 05: 49, https://doi.org/10.3931/e-rara-33756 / Public Domain Mark

Upd. 16.02.2025

Index 1847

Einleitung

Über den Ablauf dieser letzten Reise ist wenig bekannt. Der unerwartete Tod seiner geliebten Schwester Fanny am 14. Mai 1847 im Alter von erst 42 Jahren stürzte Felix in eine tiefe Depression. Seine Ärzte und Angehörigen empfahlen ihm zur Ablenkung und Erholung einen Kuraufenthalt. Die Reise führte zunächst innerhalb von Deutschland nach Baden-Baden. Offenbar traten die bereits für dieses Jahr gefassten, jedoch vorübergehend fallengelassenen Pläne einer Schweizerreise wieder in den Vordergrund. Etwa in der zweiten Juni-Hälfte 1847 reisten die beiden Familien von Felix und Bruder Paul nach Schaffhausen, wo auch Fannys Witwer Wilhelm Hensel dazustiess («Felix Mendelssohn Bartholdys Reise in die Schweiz 1847» von Hans-Günter Klein, Mendelssohn-Haus Leipzig, 2009). Ein ausführliches Reisetagebuch wie Mendelssohn im Jahr 1831 eines geführt hat, ist von dieser Reise nicht bekannt.

Bildbearbeitung der Aquarell-Digitalisate

Obwohl die Aquarelle in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek Berlin professionell farbskaliert eingescannt wurden, scheinen mir die Bilder sehr deutlich ins crèmefarbene zu tendieren. In der Annahme, dass dies einerseits auf die Originalfarbe des verwendeten Papiers, andererseits aber auch auf einen Alterungsprozess über rund 170 Jahre zurückzuführen ist, habe ich mir für diese Webseite den Versuch erlaubt, durch Bildbearbeitung einen angenommenen zeitgenössischen Eindruck zu erzielen. Zu diesem Zweck reduzierte ich die matte, rötlich-gelbliche Verfärbung etwas und nahm eine ganz leichte Kontrastverstärkung vor.

Die unveränderten Originale können von der Webseite der Staatsbibliothek Berlin, Digitalisierte Sammlungen heruntergeladen werden.

Introduction

Little is known about the itinerary of this last journey. The unexpected death of his beloved sister Fanny on 14 May 1847 at the age of only 42 plunged Felix into a deep depression. His doctors and relatives recommended a stay at a health resort to distract him and help him recover. The trip initially took him within Germany to Baden-Baden. Apparently, the plans for a trip to Switzerland, which had already been made for that year but temporarily abandoned, came to the fore again. Around the second half of June 1847, the two families of Felix and brother Paul travelled to Schaffhausen, where Fanny’s widower Wilhelm Hensel joined them («Felix Mendelssohn Bartholdys Reise in die Schweiz 1847» by Hans-Günter Klein, Mendelssohn-Haus Leipzig, 2009). A detailed travel diary like the one Mendelssohn kept in 1831 is not known from this journey.

Image processing of the digitized watercolours

Although the watercolours in the Digitized Collections of the Staatsbibliothek Berlin (Berlin State Library) have been scanned professionally and colour-scaled, the images seem to me to have a very clear tendency towards a cream hue. Assuming that this is partly due to the original colour of the paper used, but also to the ageing process over some 170 years, I have taken the liberty of trying to achieve, for this website, an assumed contemporary impression by editing the images. To this end, I reduced the pale, reddish-yellowish discolouration somewhat and slightly enhanced the contrast.

The unaltered originals can be downloaded from the website of the Staatsbibliothek Berlin, Digitised Collections.

Neuhausen am Rheinfall, 27. Juni 1847

Am Rheinfall stieg die Reisegesellschaft im ganz neuen Hotel Weber ab, laut einem Artikel in den «Schaffhauser Nachrichten», 1. November 1997, vom 26. bis zum 29. Juni. In der Ausgabe vom 27. Januar 1958 der gleichen Zeitung wird auf Seite 11 folgende Anekdote berichtet: «Der Männerchor Schaffhausen liess es sich nicht nehmen, dem illustren Gast eine Huldigung darzubringen. Das Ständchen soll, wie der Chronist [der nicht genannte Präsident des Chors?] zu berichten weiss, den berühmten Liederkomponisten sehr gerührt haben. Item, er lud den Vorstand zu einem Trunk ins Schlösslein Wörth ein und soll sich nur gewundert haben, dass der Männerchorvorstand derart viele Chargierte aufzuweisen habe!» (Quellen: Jubiläumsschrift «Männerchor Schaffhausen 1826-1926» von Friedolf Hanselmann, sowie Vereinsprotokolle).

Das Bild zeigt den Blick vom Gasthaus Weber. Dargestellt sind die Neher Eisenhütte (links unten), die alte Mühle dicht am rechten Ufer des Falls (links), der Rheinfall, das Schloss Laufen und im Hintergrund das Bergpanorama, rechts unten das Schlösschen Wörth. Bereits ein Vierteljahrhundert zuvor, zeichnete er als erst Dreizehnjähriger den Rheinfall – eine jener Zeichnungen vom Schlösschen Wörth aus (siehe Einträge 29. Juli 1822).

Die Bergwelt ist stark stilisiert. Die Gipfel links vom Säntis und links vom Glärnisch sind nicht identifizierbar, die Churfirsten sehr ungenau. Möglicherweise waren die Berge teils von Wolken verdeckt oder im Dunst schlecht erkennbar. Oder hat Mendelssohn vor Ort nur grob skizziert und die Zeichnung später aus der Erinnerung vervollständigt? Sein Standort muss sich im nordöstlichen Bereich des vierstöckigen Gasthauses Weber auf einem der oberen Stockwerke befunden haben (ungefähr 47.68071, 8.61016), denn von der heutigen Rhenania-Terrasse aus gesehen, einem Überbleibsel des früheren Hotelparks, erheben sich die Berge kaum über den Horizont.

Das Hotel Weber wurde 1842-44 erbaut, 1861 in Hotel Schweizerhof umbenannt und später um einen Anbau erweitert. 1922 machte Flugpionier Walter Mittelholzer eine Luftaufnahme davon. Noch heute zeugen die Rhenania Terrasse und der Schweizerhofweg von der einstmaligen Nobelherberge, die 1954 rückgebaut wurde. Laut den Schaffhauser Archiven scheinen keine Gästebücher erhalten zu sein.

Hotel Schweizerhof, vormals Hotel Weber (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz / Fotograf: Walter Mittelholzer / LBS_MH03-0690 / Public Domain Mark), Zum Vergrössern klicken. - - Click to enlarge
Rheinfall bei Schaffhausen Hotel Weber d. 27 Juny 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-4, Public Domain Mark 1.0)
Aussicht von der Rhenania Terrasse. - - View from the Rhenania Terrace.
Die Rhenania Terrasse, ein Überbleibsel der Parkanlage des früheren Hotels Schweizerhof (vormals Hotel Weber). - - The Rhenania Terrace, a remnant of the park of the former Hotel Schweizerhof (formerly Hotel Weber).

Neuhausen/Rhine Falls, 27 June 1847

According to an article in the newspaper «Schaffhauser Nachrichten» of 1st November 1997, the tour group stayed at the brand new Hotel Weber at the Rhine Falls from 26 to 29 June. The following anecdote is reported on page 11 of the 27 January 1958 edition of the same newspaper: «The male choir of Schaffhausen did not miss the opportunity to pay homage to the illustrious guest. According to the chronicler [the unnamed president of the choir?], the serenade moved the famous song composer greatly. Idem, he invited the board to a drink in the little castle of Woerth and is said to have been surprised that the male choir board had so many members!» (Sources: Anniversary publication «Maennerchor Schaffhausen 1826-1926» by Friedolf Hanselmann, as well as board minutes).

The picture shows the view from the Hotel Weber. The Neher ironworks (bottom left), the old mill close to the right bank of the falls (left), the Rhine Falls, Laufen Castle and the mountain panorama in the background are depicted, with Woerth Castle in the bottom right. A quarter of a century earlier, when he was only thirteen years old, he drew the Rhine Falls – one of those drawings from Woerth Castle (see entries 29 July 1822).

The mountains are highly stylised. The peaks to the left of the Saentis and to the left of the Glaernisch are not identifiable, the Churfirsten very vague. It is likely that the mountains were partly obscured by clouds or difficult to see in the haze. Or did Mendelssohn only sketch roughly on the spot and complete the drawing later from memory? His location must have been in the north-eastern section of the four-storey Weber Inn on one of the upper floors (approximately 47.68071, 8.61016), because seen from today’s Rhenania Terrace, a remnant of the former hotel park, the mountains barely rise above the horizon.

The Hotel Weber was built in 1842-44, renamed Hotel Schweizerhof in 1861 and later extended with an annex. In 1922, aviation pioneer Walter Mittelholzer took an aerial photograph of it. The Rhenania Terrace and the Schweizerhofweg still bear witness to the former noble hotel, which was demolished in 1954. According to the Schaffhausen archives, no guest books seem to have survived.

Rhenania Terrasse. Die Gegend ist heute sehr viel dichter bewaldet als früher. - - Rhenania Terrace. The area is now much more densely forested than in the past.

Upd. 31.01.2025

Neuhausen am Rheinfall, 29. Juni 1847

Mendelssohn stand am rechten Rheinufer in der Nähe der Neher Eisenhütte und malte die Alte Mühle, den Rheinfall und das Schloss Laufen (Standort etwa bei 47.67976, 8.61418).

Was die Erwähnung des Hotels Weber zu bedeuten hat, ist nicht klar. Der Hotelname steht mit Bleistift geschrieben auf der Rückseite des Aquarells, meines Erachtens aber nicht in Mendelssohns Handschrift. Weder erscheint das Hotel im Aquarell, noch wurde es von diesem Hotel aus gemalt (siehe vorherigen Eintrag).

Dieser Blick von der Laufengasse auf die alte Mühle, den Rheinfall und das Schloss Laufen entspricht ziemlich genau der von Mendelssohn gemalten Perspektive. - - This view of the old mill, the Rhine Falls and Laufen Castle from Laufengasse corresponds almost exactly to the perspective painted by Mendelssohn.
Rheinfall bei Schaffhausen Hotel Weber d 29 Juni 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-5, Public Domain Mark 1.0)

Neuhausen/Rhine Falls, 29 June 1847

Mendelssohn stood on the right bank of the Rhine near the Neher ironworks and painted the Old Mill, the Rhine Falls and Laufen Castle (location approx. at 47.67976, 8.61418).

It is not clear what the mention of the Hotel Weber means. The name of the hotel is written in pencil on the back of the watercolour, but in my opinion it is not in Mendelssohn’s handwriting. The hotel does not appear in the watercolour, nor was it painted from this hotel (see previous entry).

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Upd. 22.01.2025

Luzern, 3. Juli 1847

Das Bild hat Mendelssohn gewiss aus (s)einem Fenster in einem der oberen Stockwerke an der nordöstlichen Stirnseite des damals noch ziemlich freistehenden Hotels Schweizerhof gemalt. Es zeigt die Hofkirche, die Berge Wildspitz, Rigi und ganz am rechten Rand den Vitznauer-/Gersauerstock.

Das Gasthaus war erst zwei Jahre zuvor eröffnet worden, 1854 bis 1856 wurde es um zwei Anbauten erweitert. Der Blick auf die Hofkirche, den Mendelssohn dargestellt hat, ist heute durch den östlichen Anbau versperrt. Die hölzerne Hofbrücke wurde 1852 abgebrochen. Standort ca. 47.05441, 8.31049.

Ein Vierteljahrhundert zuvor kam die Familie Mendelssohn schon hier vorbei. Felix machte damals vom Hügel Allenwinden nördlich der Stadt eine sehr schön ausgearbeitete Zeichnung sowie je eine grobe Skizze von der linken und rechten Fortsetzung (siehe Einträge 14. August 1822).

Vordergrund links der westliche Anbau, in der Bildmitte der alte Hauptbau, rechts davon der östliche Anbau, der heute den Blick auf die Kirche versperrt - - In the foreground on the left the western annex, in the centre of the photo the old main building, to the right of it the eastern annex, which nowadays blocks the view of the church.
Lucern d. 3t July 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-6, Public Domain Mark 1.0)

Lucerne, 3 July 1847

Mendelssohn certainly painted the picture from a window (his room?) on one of the upper floors at the north-eastern front of the Schweizerhof Hotel, which was still standing quite isolated at the time. It shows the Hofkirche (church), the mountains Wildspitz, Rigi and at the right edge the Vitznauer-/ Gersauerstock.

The inn had been opened only two years earlier, and two extensions were added between 1854 and 1856. The view of the Hofkirche that Mendelssohn depicted is today blocked by the eastern extension. The Hofbruecke (wooden bridge) was demolished in 1852. Location about 47.05441, 8.31049.

A quarter of a century earlier, the Mendelssohn family had already passed by here. At that time, Felix made a very beautifully elaborated drawing of the Allenwinden hill north of the town, as well as a rough sketch each of the left and right continuations (see entries 14 August 1822).

Luzern Hofbrücke vor 1836, abgebrochen im Jahr 1852 - - Lucerne Hofbrücke before 1836, demolished in 1852 (CHNB, GS-GUGE-MEYER-JJ-C-2 Public Domain)

Upd. 22.01.2025

Thun, 9. Juli 1847

Zweifelsohne muss Mendelssohn das südliche Eckzimmer in einem der oberen Stockwerke des Hotels Bellevue bei Hofstetten bewohnt haben, das heute eine Senioreneinrichtung ist (46.75541, 7.63524)!

Das noch existierende Haus links im Bild (Bellevue du Parc) beherbergt heute die Privatschule Berntor. Etwas links der Bildmitte am Aare-Ufer erkennt man das ebenfalls noch bestehende gelbliche «Ländtehaus», das heutige Restaurant Dampfschiff (Bateau à vapeur). Diese zwei Häuser gehörten damals als Dependancen zum Hotel Bellevue der Familie Knechtenhofer.

Oben links auf dem Hügel ist der hölzerne Pavillon Jakobshübeli zu sehen, der 1819 ebenfalls als Bestandteil der Bellevue Parkanlage erbaut wurde. Er stürzte 1907 ein und wurde 1911 durch einen robusten Stein- und Eisenbau ersetzt.

Das linke Viertel des Bildes weist beträchtliche horizontale Verzerrungen auf. Die Berge zwischen Gspaltenhorn und Drunegalm stimmen proportional sehr gut. Hingegen sind sowohl das Bellevue du Parc wie auch der Aussichtspavillon zu weit rechts gezeichnet. Das Bellevue du Parc müsste eigentlich fast ganz ausserhalb des linken Bildrandes liegen.

Pension du Parc (heute Berntor Schule) - - Berntor School
Der Aussichtspavillon Jakobshübeli, der oben links im Aquarell erscheint (1819/1911) - - The Jakobshuebeli Lookout Pavilion (1819/1911), which appears at the top left in the watercolour
Thun d. 9t July 47 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-7, Public Domain Mark 1.0)
Ehemaliges Hotel Bellevue (heute Senioreneinrichtung) - - Former Hotel Bellevue (now old people's home)

Thun, 9 July 1847

Without doubt, Mendelssohn must have occupied the southern corner room on one of the upper floors of the Hotel Bellevue near Hofstetten, which is now a senior citizens’ facility (46.75541, 7.63524)!

The house on the left of the picture (Bellevue du Parc), which still exists today, is now home to the private school Berntor. A little to the left of the centre of the picture, on the bank of the Aare, one can see the yellowish «Laendtehaus», which also still exists today as restaurant Dampfschiff (Bateau à vapeur, steam boat). At the time, these two houses were annexes that belonged to the Hotel Bellevue of the Knechtenhofer family.

At the top left of the hill one can see the wooden Jakobshuebeli pavilion, which was built in 1819 also as part of the Bellevue park. It collapsed in 1907 and was replaced by a robust stone and iron structure in 1911.

The left quarter of the picture shows considerable horizontal distortion. The mountains between Gspaltenhorn and Drunegalm are proportionally quite accurate. However, both the Bellevue du Parc and the lookout pavilion are drawn too far to the right. Bellevue du Parc should actually be almost completely outside the left edge of the picture.

Ländtehaus - Restaurant Dampfschiff - Bateau à vapeur - steamboat

Upd. 22.01.2025

Thun, 11. Juli 1847

Der Blick ist nach Südwesten auf die Bergkette des Stockhorn gerichtet. Und einmal mehr dominiert ein mächtiger Baum die Szene, ein bevorzugtes Sujet in vielen von Mendelssohns Zeichnungen und Aquarellen.

Mit Ausnahme des Stockhorns ist die Bergsilhouette sehr ungenau. Die Vermutung liegt nahe, dass auch in diesem Bild die Berge entweder später aus der Erinnerung hinzugefügt wurden, und/oder dass sie wolkenverhangen waren und nur andeutungsweise gemalt wurden. Unter dem Stockhorn erscheint die Villa Weidenau, Scherzligweg 22 (Baujahr ca. 1835/40).

Wenngleich etliche Bildelemente etwas zweifelbehaftet sind, so zeigen doch die Standlinien zwischen dem Stockhorn, der Villa Weidenau und dem nordwestlichen Ende des «Inseli» klar auf das Areal des Hotels Bellevue (heute ein Tertianum). Mit einiger Wahrscheinlichkeit malte Mendelssohn dieses Aquarell von einem Zimmer etwas weiter nördlich (46.75558, 7.63501) oder sogar vom Ökonomiehaus des Bellevue aus. Dieses Gebäude steht noch heute (Göttibachweg 4/6, etwa bei 46.75613, 7.63535), und die Türen unter der Laube tragen noch immer die französischen Aufschriften Valet d’Écuries bzw. Écuries No. 1-4 (Pferdestallungen).

Leider lässt sich die Perspektive des Aquarells nicht mehr so sehen, denn seit 1875 steht das Gebäude des früheren Grand Hotels Thunerhof im Weg. Es trat an die Stelle der früheren Ziegeleien, von denen einige Hütten am unteren Rand von Mendelssohns Aquarell erscheinen. Der kolossale Bau des früheren Thunerhofs beherbergt seit 1948 das Kunstmuseum Thun.

Das frühere Ökonomiehaus des Hotels Bellevue, in welchem sich früher auch die Stallungen befanden. - - The former service building of the Hotel Bellevue, which also housed the stables in the past.
Thun den 11t July 47 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-8, Public Domain Mark 1.0)
Aussicht von der Terrasse des Kunstmuseums (früheres Grand Hotel Thunerhof) in der ungefähren Sichtlinie des Aquarells; das Stockhorn, die von Bäumen teils verdeckte Villa Weidenau, sowie das untere Ende des «Inseli». - - View from the terrace of the Art Museum (former Grand Hotel Thunerhof) in the approximate line of sight of the watercolour; the Stockhorn, the Villa Weidenau, partly obscured by trees, and the lower end of the «Inseli» (Little Island).

Thun, 11 July 1847

The view is directed south-west towards the mountain range of the Stockhorn. And once again a mighty tree dominates the scene, a favourite subject in many of Mendelssohn’s drawings and watercolours.

With the exception of the Stockhorn, the mountain silhouette is very inaccurate. It seems reasonable to assume that in this picture, too, the mountains were either added later from memory, and/or that they were shrouded in clouds and painted only suggestively. The Villa Weidenau, Scherzligweg 22 (built around 1835/40) appears below the Stockhorn.

Although some elements of the picture are somewhat doubtful, the position lines between the Stockhorn, the Villa Weidenau and the north-western end of the «Inseli» clearly point to the area of the Hotel Bellevue (now a Tertianum). It is very likely that Mendelssohn painted this watercolour from a room a little further north (46.75558, 7.63501) or even from the Bellevue’s service building. This building still stands today (Goettibachweg 4/6, approx. at 46.75613, 7.63535), and the doors under the arbour still bear the French inscriptions Valet d’Écuries or Écuries No. 1-4 (horse stables).

Unfortunately, the perspective of the watercolour can no longer be seen like that, because since 1875 the building of the former Grand Hotel Thunerhof has stood in the way. It took the place of the former brickyard, some of whose huts appear at the bottom of Mendelssohn’s watercolour. The colossal building of the former Thunerhof has housed the Thun Art Museum since 1948.

Upd. 09.02.2025

Interlaken, 16. Juli 1847

Mendelssohns geliebte Nussbäume in der Klosteranlage gleich hinter dem Gasthaus Interlaken, die er schon 1822 und 1842 ausgiebig darstellte, sind inzwischen Ahorn- und Lindenbäumen gewichen. Baulich hat sich seit Mendelssohns Zeit auch einiges verändert. Dieses Bild entstand zwischen dem Hotel Interlaken und dem heutigen Autoparkplatz (etwa bei 46.68825, 7.86355), jedoch wird von diesem Punkt aus die Schlosskirche von der neueren katholischen Kirche (1906) verdeckt.

Ob links im Bild etwa Cécile oder Albertine, sowie Paul Mendelssohn, die am Tisch sitzende und schreibende Person, für Felix posiert haben?

Die beiden Pforten-Steinsäulen mit Kugeln, die rechts im Aquarell erscheinen, dürften noch heute dieselben sein.

Fast genau die gleiche Ansicht zeichnete Mendelssohn schon fünf Jahre zuvor (siehe Eintrag 17.-19. August 1842).

Die Schlosskirche und die Parkanlage des früheren Augustinerklosters. - - Schlosskirche (Castle Church) and the park of the former Augustinian monastery.
Interlaken d. 16 July 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-9, Public Domain Mark 1.0)

Interlaken, 16 July 1847

Mendelssohn’s beloved walnut trees in the monastery grounds right behind the Interlaken Inn, which he depicted extensively as early as 1822 and 1842, have since given way to maple and lime trees. The buildings have also changed since Mendelssohn’s time. This picture was painted between the Hotel Interlaken and the present car park (at about 46.68825, 7.86355), but from this point the Schlosskirche (church) is obstructed by the newer Catholic church (1906).

Did Cécile or Albertine, and Paul Mendelssohn, the person sitting at the table and writing, perhaps pose for Felix on the left of the picture?

The two gate stone columns with spheres that appear in the watercolour on the right, are probably still the same today.

Mendelssohn drew almost exactly the same view five years earlier (see entry 17-19 August 1842).

Die Parkanlage des früheren Augustinerklosters. - - The park of the former Augustinian monastery.

Upd. 28.01.2025

Mürren, 17. Juli 1847

Dass Mendelssohn das Aquarell mit «Erinnerung an die Parthie nach Myrren [Mürren]…» übertitelte, ist ein Hinweis darauf, dass er das Bild vom «Dreigestirn» nachträglich im Wirtshaus angefertigt hat. Allenfalls hat er sich vor Ort unter Zeitdruck auf eine grobe Skizze beschränkt. Mit ziemlicher Sicherheit hätte er eine solche vom etwas höher gelegenen Allmendhubel aus gemacht, denn das Wetterhorn links im Aquarell ist vom Dorf Mürren aus nicht sichtbar.

Die Berge sind sehr schemenhaft und in ihren Höhenverhältnissen unrealistisch dargestellt. Der Vordergrund ist nur grob angedeutet und stimmt nicht genau mit dem vermuteten Standort überein (ca. 46.56541, 7.88181). Tatsächlich scheint in diesem Bild die Fantasie die Realität zu überwiegen.

Erinnerung an die Parthie nach Myrren im Lautenbrunner Thal 17 July 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-10, Public Domain Mark 1.0)
Ganz links im Hintergrund das Wetterhorn, das Mendelssohn zwar in der Höhe stark übertrieben darstellt, sowie das «Dreigestirn» mit Eiger, Mönch und Jungfrau. - - On the far left in the background is the Wetterhorn, which Mendelssohn depicts with greatly exaggerated heights, as well as the «triumvirate» of the Eiger, Moench and Jungfrau.

Mürren, 17 July 1847

The fact that Mendelssohn entitled the watercolour «Erinnerung an die Parthie nach Myrren…» (Remembrance of the trip to Myrren [Muerren]…) is an indication that he made the picture of the «triumvirate» (Eiger, Moench, Jungfrau) afterwards at the inn. At best, he limited himself to a rough sketch on the spot under time pressure. He almost certainly would have made such a sketch from the somewhat more elevated Allmendhubel, because the Wetterhorn on the left of the watercolour is not visible from the village of Muerren.

The mountains are represented very inaccurately and their height ratios are off. The foreground is only roughly indicated and does not correspond exactly with the assumed location (approx. 46.56541, 7.88181). Indeed, imagination seems to outweigh reality in this picture.

Upd. 22.01.2025

Lauterbrunnen, 1. August 1847

Auf all seinen vier Schweizer Reisen ist Mendelssohn in Lauterbrunnen vorbeigekommen. Nicht nur die Berge, auch Wasserfälle übten eine magische Anziehungskraft auf damalige Reisende aus. Und mit rund 300 m ist der Staubbachfall schliesslich einer der höchsten Wasserfälle der Schweiz.

Die drei dargestellten Häuser und Speicher stimmen recht gut mit jenen in seiner Zeichnung von 1822 überein (siehe dort, sowie Vergleichsbild hier). Das würde bedeuten, dass er wie damals wieder im Hotel Steinbock logierte oder zumindest für eine Verköstigung dort einkehrte. Einzig an den Hütten links unten und an der Fassade der Hütte rechts gibt es Veränderungen. Diese Bauten sind natürlich seither längst anderen gewichen. Das frühere Hotel Steinbock/Capricorne stand im heutigen Rangierareal des Bahnhofs (etwa bei 46.59742, 7.90774).

Für diese Ansicht hat sich der Künstler grosse Freiheiten genommen. Die Berge sind ungenau, verschiedene Landschaftsmerkmale stehen in unmöglichen Ausrichtungen zueinander. Gewiss hat er sie aus der Erinnerung gemalt. Möglicherweise war das tiefe Tal auch von Wolken erfüllt (in Briefen beklagte er sich in jenen Tagen tatsächlich über ungünstiges Wetter).

Der Standort für das fotografische Vergleichsbild hinter dem Gasthaus Schützen (46.5948, 7.9068) ist willkürlich gewählt worden, denn vom Standort des früheren Hotels Steinbock lässt sich diese Aussicht nicht mehr so sehen wie er sie gemalt hat.

Der Standort für dieses Vergleichsfoto wurde willkürlich gewählt, da der wahrscheinlich zutreffende Standort beim früheren Hotel Steinbock verbaut ist. - - The location for this comparison photo was chosen arbitrarily, as the most likely location at the former Hotel Steinbock is blocked by new buildings.
Lauterbrunnen Sonntag Nachmittag 1st August 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-12, Public Domain Mark 1.0)

Lauterbrunnen, 1st August 1847

Mendelssohn passed through Lauterbrunnen on all four of his Swiss journeys. Not only the mountains, but also waterfalls exerted a magical attraction on travellers of that time. And at around 300 m the Staubbach Falls is, after all, one of the highest waterfalls in Switzerland.

The three houses and granaries depicted correspond quite closely to those in his 1822 drawing (see there, as well as comparison picture here). This would mean that he stayed at the Hotel Steinbock (Capricorn) again, or at least stopped off there for a meal or a drink. Only the huts at the bottom left and the facade of the hut on the right show modifications. Of course, these buildings have long since given way to others. The former Hotel Steinbock/Capricorne stood in what is now the railway station’s shunting area (at approximately 46.59742, 7.90774).

The artist has taken great liberties for this view. The mountains are inaccurate, various landmarks appear in impossible alignments to each other. He has certainly painted them from memory. It is also likely that the deep valley was filled with clouds (in letters he actually complained about unfavourable weather in those days).

The location for the comparison photo behind the Schuetzen Inn (46.5948, 7.9068) was chosen arbitrarily, as this view can no longer be seen from the location of the former Hotel Steinbock (Capricorn) as he painted it.

Sehr wohl entdeckt man einige Unterschiede, aber in einem Vierteljahrhundert kann sich so einiges ändern. - - There are certainly some differences, but a lot can change in a quarter of a century.

Upd. 29.01.2025

Eisenfluh (Isenfluh), 6. August 1847

Wie eingangs dieses Blogs erwähnt, sind von dieser Reise nicht viele Einzelheiten, Beschreibungen von Ausflügen, Spaziergängen und Wanderungen überliefert. Man muss sich die Reise 1847 aus Briefdaten und datierten Zeichnungen wie ein Puzzle zusammenstückeln.

Einen versteckten Hinweis auf einen Ausflug findet sich noch in Mendelssohns Taschennotizbuch 1846-1847. Übersetztes Zitat vom Verzeichnis der Bodleian Library Oxford (MS. M. Deneke Mendelssohn g. 10): «[…] Seiten 52-54 ‚Allegro für Quartett‘ [Op. 80], 2. Satz., datiert ‚Eisenfluh 6 Jul ’47’».

Es scheint also, dass Mendelssohn den zweiten Satz seines berühmten Streichquartets in f-moll an diesem Ort (Isenfluh, 46.62032, 7.89656) mit prächtiger Aussicht auf die Berge des Berner Oberlandes komponiert hat.

Die Aussicht vom Dorf Isenfluh auf die Jungfrau und die Alpenkette des Berner Oberlands. - - The view from the village of Isenfluh of the Jungfrau and the Alpine chain of the Bernese Oberland.
Mendelssohns Zeichnung 1842 und Foto vom Hohbühl/Interlaken mit der Felsklippe von Isenfluh. - - Mendelssohn's drawing 1842 and photo from Hohbuehl/Interlaken with the rocky cliff of Isenfluh.

Eisenfluh (Isenfluh), 6 August 1847

As mentioned at the beginning of this blog, very few details, descriptions of excursions, walks and hikes have survived from this trip. The journey 1847 must be pieced together like a jigsaw puzzle from letter dates and dated drawings.

One hidden reference to a side trip can still be found in Mendelssohn’s pocket notebook 1846-1847. Quotation from the index of the Bodleian Library Oxford (MS. M. Deneke Mendelssohn g. 10): «[…] fols. 52-54 ‚Allegro für Quartett‘ [Op. 80], 2nd mvt., dated ‚Eisenfluh 6 Jul ’47’».

It seems that Mendelssohn composed the second movement of his famous string quartet in F minor at this location (Isenfluh, 46.62032, 7.89656) with a magnificent view of the mountains of the Bernese Oberland.

Gumihorn, Loucherhorn, Stellihorn, Bira, Simelihorn, Reeti

Upd. 22.01.2025

Unterseen, 8. August 1847

Auf seiner Fussreise 1831 hatte Mendelssohn sein wohnliches Zimmer mit seinem «lieben Clavierchen» auf der gegenüberliegenden Seite des Kaufhauses Unterseen mit Blick nach Süden auf das Schloss. Damals fertigte er eine Federzeichnung auf der Rückseite eines Tagebuchbriefes an (siehe Eintrag 11. August 1831). 1847 logierte er jedoch in der Klosterherberge, dem heutigen Hotel Interlaken am Höheweg (Interlaken Ost), aber es zog ihn offensichtlich auf seinen eigenen Spuren auch nach Unterseen, um alte Erinnerungen aufzufrischen.

Der Standort des Aquarells entspricht etwa der Nordost-Ecke des Stadthauses, d.h. des ehemaligen Kaufhauses von Unterseen (46.68702, 7.84981), das als Rathaus, Kaufhaus und Wirtshaus zugleich diente. Das Amthaus und die Kirche stehen noch. Die meisten anderen Gebäude und der Brunnen wurden seither ersetzt. Von den zwei älteren Gebäudeteilen, flankiert von zwei modernen, weissen Anbauten, scheint noch etwas Bausubstanz erhalten geblieben zu sein.

Unterseen den 8ten August 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-11, Public Domain Mark 1.0)
Amthaus, Kirche, Häuserzeile an der Kirchgasse (Marktplatz). - - Amthaus, church, row of houses on Kirchgasse (market square).

Unterseen, 8 August 1847

On his foot journey in 1831, Mendelssohn had his homely room with his «dear little piano» on the opposite side of the Stadthaus Unterseen with a view of the castle to the south. At that time, he made a pen and ink drawing on the back of a diary letter (see entry 11 August 1831). In 1847, however, he stayed at the Klosterherberge, today’s Hotel Interlaken on the Hoeheweg (Interlaken East), but he was obviously attracted to Unterseen in his own footsteps to rekindle old memories.

The location of the watercolour corresponds approximately to the north-east corner of the Stadthaus, i.e. the former Kaufhaus of Unterseen (46.68702, 7.84981), which served as town hall, bonded warehouse and inn at the same time. The Amthaus, the present-day town house, and the church are still standing. Most of the other buildings and the fountain have since been replaced. Of the two older parts of the building flanked by two modern white annexes, some building fabric seems to have survived.

Upd. 22.01.2025

Guttannen, 17. August 1847

Die diesjährige, seine letzte Reise in die Schweiz, galt vor allem der Erholung. Die beiden Familien von Felix und Paul genossen wohl das eher gemütliche Ferienleben im Berner Oberland. Felix folgte aber noch einmal dem Ruf der Berge. Wahrscheinlich liess er seine Angehörigen in Interlaken zurück und machte sich alleine auf den Weg. Ob er sich wie 1831 und 1842 wieder von Bergführer Christian Michel über die Grimsel- und Furkapässe führen liess, ist nicht bekannt. Da Mendelssohn ihn die beiden letzten Male in den höchsten Tönen gelobt hatte, darf dies angenommen werden.

In welchen Ortschaften Mendelssohn übernachtete, ist nicht überliefert. Etwa in Michels Krone in Meiringen (niedergebrannt im grossen Dorfbrand von 1891), oder hier in Guttannen im Bären?

Eine Erklärung für Mendelssohns Schreibfehler des Bergnamens zu finden (Riglihorn statt Ritzlihorn), fällt schwer. Sowohl auf allen alten Swisstopo Karten wie auch auf der Kellers Reisecharte, von der er wie auf früheren Reisen möglicherweise ein Exemplar mitführte, war der Berg als Ritzlihorn (bzw. abgekürzt Rizlih.) bezeichnet.

Die in der Zeichnung dargestellten Häuser sind nicht identifizierbar und stehen heute vermutlich nicht mehr, oder sie wurden vom Maler ganz einfach hineinfantasiert. Die Felsbrocken sind fast alle weggeräumt worden. Der vermutete Standort befindet sich im Weiler Sonnseite östlich der Aare (etwa bei 46.65602, 8.29209).

Wirtshaus Bären Guttannen 1803
Das Riglihorn in Guttannen 17 Aug 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-13, Public Domain Mark 1.0)
Ganz links oben Ritzlihorn (3277 m), Schaflägersteck (Mitte), rechts Bättlerhorn (2534 m)
«Das Riglihorn in Guttannen 17 Aug 1847», Mendelssohns handschriftliche Bildlegende auf der Rückseite des Aquarells - - Mendelssohn's handwritten caption on the reverse of the watercolour

Guttannen, 17 August 1847

This year’s, his last trip to Switzerland, was mainly for relaxation. Felix’s and Paul’s two families probably enjoyed the rather leisurely holiday life in the Bernese Oberland. Felix, however, followed the call of the mountains once more. He probably left his relatives behind in Interlaken and set off alone. It is not known whether he was again guided over the Grimsel and Furka passes by mountain guide Christian Michel, as he was in 1831 and 1842. Since Mendelssohn had praised him in the highest terms the last two times, this may be assumed.

The places where Mendelssohn stayed overnight are not known. Perhaps in Michel’s Krone in Meiringen (burnt down in the great village fire of 1891), or here in Guttannen in the Baeren inn?

It is difficult to find an explanation for Mendelssohn’s misspelling of the mountain’s name (Riglihorn instead of Ritzlihorn). On all the old Swisstopo maps as well as on Keller’s travel map, of which he possibly carried a copy as on earlier journeys, the mountain was marked as Ritzlihorn (resp. abbreviated Rizlih.).

The houses shown in the drawing are not identifiable and are probably no longer standing today, or they were simply fantasised in by the painter. The boulders have almost all been cleared away. The presumed location is in the hamlet of Sonnseite east of the Aare (approximately at 46.65602, 8.29209).

Ausschnitt aus der Kellers Reisecharte 1820 - - Section of the Keller's travel map

Upd. 22.01.2025

Sidelhorn, 18. August 1847

«Auf dem Gipfel des Seidelhorns den 18ten August früh Morgens» übertitelte Mendelssohn sein Aquarell. Auf älteren Karten wird der Berg 2 km südwestlich der Grimselpasshöhe auch Kleines Siedelhorn genannt, auf den modernen Online Karten von swisstopo ist die Schreibweise Sidelhoren gebräuchlich.

Am unteren Rand links findet man zwei Bleistiftnotizen «W…horn» (Weisshorn?) und «Seidelhorn». Der Berg dicht am linken Rand passt von der Form her recht gut zum Weisshorn, der proportionale Abstand zu den übrigen Bergen weniger. Ähnlich wie in Ouchy 1842 darf man annehmen, dass Mendelssohn etwa zehn Grad des Gipfelgewirrs hinter dem Steinmännchen zusammengerückt und zum Verschwinden gebracht hat.

Hans-Günter Klein schreibt in seinem Buch «Felix Mendelssohn Bartholdys Reise in die Schweiz 1847» (Verlag Mendelssohn-Haus Leipzig, 2009), dass das Steinmännchen auf dem Gipfel noch erhalten sei. Gut erkennbar im Aquarell sind die Gipfel des Oberaarhorns, Finsteraarhorns und ganz rechts den Doppelgipfel Lauteraarhorn und Schreckhorn. Der Bach aus dem kleinen Triebtenseewli (Trübtensee) ergiesst sich heutzutage in den Grimsel-Stausee. Ebenfalls abgebildet sind der Ober‑ und Unteraargletscher. Das ganze Gebiet ist heute für die Stromgewinnung von grosser Bedeutung.

Mendelssohns Standort ca. 46.55253, 8.31272.

Mit der Besteigung dieses Bergs ging für Mendelssohn ein Wunsch in Erfüllung, der ihm des schlechten Wetters wegen 1831 verwehrt geblieben war.

Leider bin ich kein trittsicherer Berggänger mehr und scheue Gebirgstouren in steiles Gelände. Welcher Wandervogel hat Lust, dieses Bild auszukundschaften? Für Rückmeldungen bin ich dankbar.

Auf dem Gipfel des Seidelhorns den 18ten August früh Morgens 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-14, Public Domain Mark 1.0)

Sidelhorn, 18 August 1847

Mendelssohn titled his watercolour «On the summit of the Seidelhorn on 18 August early in the morning». On older maps, the mountain 2 km southwest of the Grimsel Pass is also called Kleines Siedelhorn; on the modern online maps from swisstopo, the spelling Sidelhoren is common.

There are two pencil notes at the bottom left: «W…horn» (Weisshorn?) and «Seidelhorn». The mountain close to the left edge matches the Weisshorn quite well in terms of shape, the proportional distance to the other mountains less so. As in Ouchy in 1842, it may be assumed that Mendelssohn squeezed about ten degrees of the tangle of peaks behind the cairn and made them disappear.

Hans-Guenter Klein writes in his book «Felix Mendelssohn Bartholdys Reise in die Schweiz 1847» (published by Mendelssohn-Haus Leipzig, 2009) that the cairn on the summit is still preserved. The peaks of the Oberaarhorn and Finsteraarhorn are clearly visible in the watercolour, as is the double peak of the Lauteraarhorn and Schreckhorn on the far right. The stream from the little lake Triebtenseewli (Truebtensee) nowadays flows into the Grimsel reservoir. Also shown are the Oberaar and Unteraar glaciers. Today, the whole area is of great importance for power generation.

Mendelssohns location approx. 46.55253, 8.31272.

With the ascent of this mountain, a wish came true for Mendelssohn that had been denied him in 1831 because of the bad weather.

Unfortunately, I am no longer a sure-footed mountain walker and shy away from mountain tours in steep terrain. Which keen hiker would like to explore this picture? I would be grateful for any feedback.

Upd. 28.01.2025

Wassen, 20. August 1847

Der Blick schweift in Richtung Südwesten über den Dorfplatz, knapp links der Bildmitte ist der Brunnen mit der Figur des Kirchenpatrons Gallus erst mit Bleistiftstrichen angedeutet, im Hintergrund erkennt man den Meiggelenstock und ganz rechts das ehemalige Wirtshaus Hirschen (heute Hotel Alte Post). Das Haus datiert aus dem 16. oder frühen 17. Jh., wurde schon früh als Wirtshaus benutzt, diente bis 1848 als Zollstation und Susthaus (Rast- und Lagerstätte für Säumer) für den Gotthard- und den Sustenpass, von 1849 bis 1878 als Poststelle, die danach in den Ochsen verlegt wurde. Um 1880 wechselte der «Hirschen» in das Haus, das an der heutigen Abzweigung der Sustenstrasse steht.

Bei Betrachtung dieses Bildes gewinnt man den Eindruck eines leicht erhöhten Blickpunktes. Höchstwahrscheinlich stand Mendelssohn auf der Terrasse des Wirtshauses Ochsen im ersten Stock, in welchem er möglicherweise auch logierte (bei 46.70653, 8.59977, heute ein Betagtenheim).

Gewiss hat Mendelssohn auf dieser mehrtägigen Wanderung keine Mal-Utensilien mitgeführt und vor Ort nur eine Zeichnung angefertigt, die er später vielleicht im Gasthaus Interlaken kolorieren wollte. Bis zu seiner Rückkehr nach Interlaken haben sich also von dieser Wanderung insgesamt drei Zeichnungen angesammelt (Guttannen, Sidelhorn, Wassen), die es auszumalen galt. Gut möglich, dass ihm die Zeit ausging, um dieses von Wassen zu vollenden.

Blick in die Gegenrichtung: Links der frühere Hirschen (heute Alte Post), rechts das ehemalige Wirtshaus Ochsen - - View in the opposite direction: On the left the former Hirschen (today Alte Post), on the right the former Ochsen inn.
Wasen d. 20 Aug. 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-15, Public Domain Mark 1.0)
Der Dorfplatz mit dem Gallus-Brunnen und dem früheren Hirschen - - The village square with the Gallus fountain and the former Hirschen inn

Wassen, 20 August 1847

The view sweeps in a south-westerly direction over the village square, just to the left of the centre of the picture the fountain with the figure of the church patron Gallus is only indicated with pencil lines, in the background the Meiggelenstock can be seen and on the far right the former Hirschen inn (today Hotel Alte Post). The house dates from the 16th or early 17th century, was used as an inn early on, served as a customs post and Susthaus (resting and storage place for muleteers) for the Gotthard and Susten passes until 1848, as post office from 1849 to 1878, which was then moved to the Ochsen. Around 1880, the «Hirschen» moved to the house that stands at the present junction of the Susten Pass road.

Looking at this picture, one gets the impression of a slightly elevated vantage point. Most likely Mendelssohn was standing on the terrace of the Ochsen inn on the first floor, where he possibly also stayed (at 46.70653, 8.59977, today a retirement home).

Mendelssohn certainly did not carry any painting utensils with him on this hike of several days and only made a drawing on the spot, which he may have wanted to colour later at the Interlaken inn. By the time he returned to Interlaken, he had accumulated a total of three drawings from this hike (Guttannen, Sidelhorn, Wassen) that needed to be coloured. It is quite possible that he ran out of time to complete this one of Wassen.

Der Ochsen, heute ein Seniorenzentrum, mit dem vermuteten Standort des Aquarells - - The Ochsen, now a senior citizens' centre, with the presumed location of the watercolour

Upd. 22.01.2025

Interlaken, 4. September 1847

Die Zeichnung zeigt links das weisse Zollhaus, das 1740 erbaut wurde und heute noch existiert (Höheweg 221), die Zollbrücke, die in den 1870er Jahren abgerissen wurde, die Schlosskirche und die Brienzstrasse. Die steinernen Strassenpfosten dürften noch dieselben sein, die heute zumindest teilweise noch stehen. Das Teilstück der Brienzstrasse Richtung Goldswil, ca. 70m oberhalb der Liegenschaft Brienzstrasse 30, an dem der Standort des Aquarells vermutet werden kann (46.69347, 7.86958), musste zu Mendelssohn Zeit ziemlich frei von Wald und Bäumen gewesen sein. Und er muss zu seinen bevorzugten Plätzchen gehört haben, denn schon am 17. August 1842 stand er für eine Zeichnung mit Blick gegen Osten nach Goldswil und Ringgenberg an der fast gleichen Stelle (siehe Eintrag  17 August 1842). Heute ist due Stelle total verwachsen.

Die Bildpartie der Hintergrundberge in der linken Bildhälfte ist sehr ungenau – diese Berge sind nicht identifizierbar. Entweder waren sie wolkenverhangen oder später aus der Erinnerung hinzugefügt worden. Die übrigen Berge hat Mendelssohn aber sehr präzise dargestellt: Der Kleine Rugen links unten, Birchizand, Rotenegg, Wätterlatte und Greberegg.

Das frühere Zollhaus (1740), jedoch aus einer anderen Richtung - - The former customs house (1740), but from a different angle
Mendelssohns Standort dürfte an der Brienzstrasse etwa 70 m oberhalb dieses Hauses gelegen haben - - Mendelssohn's location may have been on Brienzstrasse about 70 m uphill from this house
Interlaken den 4ten September 1847 (Staatsbibliothek Berlin, Preussischer Kulturbesitz, MA-BA-16, Public Domain Mark 1.0)
Dieses Vergleichsfoto wurde notgedrungen vom Goldswiler Viadukt aus aufgenommen (Perspektive nicht ganz passend). Die linke Turmspitze in der Bildmitte ist die in der Zeichnung dargestellte Schlosskirche - - This comparison photo was taken of necessity from the Goldswil viaduct (perspective not well-fitting). The left spire in the centre of the picture is the castle church shown in the drawing.

Interlaken, 4 September 1847

On the left, the drawing shows the white Zollhaus (customs house) that was built in 1740 and still exists today (Hoeheweg 221), the Zollbruecke (customs bridge) that was demolished in the 1870s, the Schlosskirche (castle church) and Brienz Road. The stony road poles are probably the same ones that are still standing today, at least in part. The section of the Brienzstrasse in the direction of Goldswil, about 70 m above the property at Brienzstrasse 30, where the location of the watercolour can be assumed (46.69347, 7.86958), must have been quite free of woods and trees in Mendelssohn’s time. And it must have been one of his favourite spots, for as early as 17 August 1842 he was standing almost at the same location for a drawing with a view to the east towards Goldswil and Ringgenberg (see entry 17 August 1842). Today the place is totally overgrown.

The section of the background mountains in the left half of the picture is very inaccurate – these mountains are not identifiable. Either they were covered in clouds or added later from memory. However, Mendelssohn depicted the other mountains very precisely: Kleiner Rugen at lower left, Birchizand, Rotenegg, Waetterlatte and Greberegg.

Die alten Strassenpfosten an der Brienzstrasse. - - The old road poles on the Brienz Road

Upd. 22.01.2025

Am Tag nachdem er sein letztes Aquarell gemalt hatte, trat Felix Mendelssohn seine dreizehntägige Heimreise an. Etwa am 18. September traf die Familie in Leipzig ein. Leider bewirkte die Erholungsreise in Süddeutschland und in der Schweiz keine nachhaltige Gesundung. Mendelssohn starb nur anderthalb Monate nach seiner Rückkehr, am 4. November 1847, an der gleichen Todesursache wie seine Schwester Fanny ein halbes Jahr zuvor; er erlitt mehrere Schlaganfälle («Felix Mendelssohn Bartholdys Reise in die Schweiz 1847» von Hans-Günter Klein, Mendelssohn-Haus Leipzig, 2009, Wikipedia).

The day after he painted his last watercolour, Felix Mendelssohn began his thirteen-day journey home. The family arrived in Leipzig around 18 September. Unfortunately, the recreational trip in southern Germany and Switzerland did not bring about a lasting recovery. Mendelssohn died only one and a half months after his return, on 4 November 1847, from the same cause of death as his sister Fanny six months earlier; he suffered several strokes («Felix Mendelssohn Bartholdys Reise in die Schweiz 1847» by Hans-Günter Klein, Mendelssohn-Haus Leipzig, 2009, Wikipedia).