Mendelssohn-Reise 1831
Mendelssohn Journey 1831
Upd. 16.02.2025
Index 1831
Fakten und Zahlen
Während Mendelssohns Fussreise durch die Schweiz, gerechnet nur ab Vevey (6. Aug.) bis zum Grenzübertritt bei Rheineck (5. Sept.), legte er an 20 Wandertagen total rund 560 km zu Fuss zurück. Das ergibt Tagesetappen von durchschnittlich etwa 28 km. Die längste Tagesetappe war jene vom 19. August von Hospental nach Flüelen von ungefähr 42 km.
Facts & Figures
During Mendelssohn’s journey on foot through Switzerland, calculated only from Vevey (6 Aug.) to the border crossing at Rheineck (5 Sept.), he covered a total of around 560 km on foot on 20 walking days. This results in daily legs of about 28 km on average. The longest daily leg was the one on 19 August from Hospental to Flueelen of about 42 km.
Zeichen- und Notizbücher
Zeichnungen von der Schweiz kommen in den drei (oder vier?) folgenden Zeichenbüchern sowie in einem Notizbuch vor, in die Mendelssohn abwechslungsweise gezeichnet hat:
- Taschen-Skizzenbuch März bis Juli 1831 (Staatsbibliothek Berlin, MA Nachl. 22/B,1), von Villa Medici 5. März 1831 bis Chamonix 31. Juli 1831: Nur 1 Zeichnung von der Schweiz (Simplon), Originalgrösse ca. 18 x 13.3 cm
- Zeichenalbum Italien, Schweiz 1831 (The Bodleian Libraries, University of Oxford, M. Deneke Mendelssohn Collection, d.3), von Neapel Mai 1831 bis Engelberg 24. August 1831 (plus Skizze am Schluss, 5. September), Originalgrösse 24.6 x 19.3 cm.
- Zeichenalbum Deutschland, Schweiz 1830-1841 (The Bodleian Libraries, University of Oxford, M. Deneke Mendelssohn Collection, d.15), von Schwarzburg/D 4. Juli 1830 bis Schwyz/Haken 1. September 1831 (und 1 von Priesnitz, 22 Jul 1841), Originalgrösse 26.3 x 20.7 cm.
- (?) Es gibt Hinweise auf ein weiteres Zeichenbuch, das ihm als Fortsetzung für das in Engelberg vollgezeichnete (d.3) diente, und das Mendelssohn mit grosser Wahrscheinlichkeit in Luzern gekauft hat. Leider ist dessen Verbleib unbekannt.
- Reise-Notizbuch Italien, Schweiz 1831 (Bodleian Libraries Oxford, M. Deneke Mendelssohn Collection, g. 3), Originalgrösse aussen 8.9 x 5.9 cm. Die Seiten dieses Winzlings massen gerade mal 80 x 55 mm, was knapp einer heutigen Kreditkarte entspricht. Dass es Mendelssohn schaffte, im Querformat 12 bis 15 Schriftzeilen unterzubringen, grenzt an ein kleines Wunder! Tagsüber trug er seine Notizen mit einem ganz feinen Bleistift ein und überschrieb diese am Abend im Wirtshaus mit Tinte. Offensichtlich war er zu einer sehr kleinen Handschrift fähig und musste eine Schreibfeder mit sehr feinen Federspitzen verwendet haben. Auch zwei Bleistift-Skizzen von Schweizer Ansichten befinden sich in diesem kleinen Notizbuch (Brig und La Tour-de-Peilz).
Die Reihenfolge der Zeichnungen auf dieser Webseite entsprechen dem chronologischen Verlauf der Mendelssohn-Reise und nicht unbedingt der Reihenfolge der Zeichnungen in den Alben. Bewusst habe ich auch ein paar Zeichnungen aus dem grenznahen Ausland eingeschlossen, also von Orten, die Bestandteil seiner Schweizer Reise bildeten.
Drawing and Note Books
Drawings of Switzerland appear in the three (or four?) following drawing books as well as in a notebook, in which Mendelssohn drew alternately:
- Pocket sketchbook March to July 1831 (Staatsbibliothek Berlin, MA Nachl. 22/B,1), from Villa Medici 5 March 1831 to Chamonix 31 July 1831: Only 1 drawing from Switzerland (Simplon), original size ca. 18 x 13.3 cm.
- Drawing album Italy, Switzerland 1831 (The Bodleian Libraries, University of Oxford, M. Deneke Mendelssohn Collection, d.3), from Naples May 1831 to Engelberg 24 August 1831 (plus sketch at the, end 5 September), original size 24.6 x 19.3 cm.
- Drawing album Germany, Switzerland 1830-1841 (The Bodleian Libraries, University of Oxford, M. Deneke Mendelssohn Collection, d.15), from Schwarzburg/D 4 July 1830 to Schwyz/Haken 1st September 1831 (and 1 from Priesnitz, 22 Jul 1841), original size 26.3 x 20.7 cm.
- (?) There are references to another drawing book which served him as a continuation of the one completed in Engelberg (d.3) and which Mendelssohn most probably bought in Lucerne. Unfortunately, its whereabouts are unknown.
- Travel notebook Italy, Switzerland 1831 (Bodleian Libraries Oxford, M. Deneke Mendelssohn Collection, g.3), original book cover size 8.9 x 5.9 cm. The pages of this tiny book measure just 80 x 55 mm, which is barely the size of a present-day credit card. The fact that Mendelssohn managed to squeeze 12 to 15 lines of writing in the landscape format borders on a small miracle! During the day he wrote down his notes with a very fine pencil and in the evening at the inn he overwrote them with ink. Obviously, he was capable of very small handwriting and must have used a pen with very fine nibs. There are also two pencil sketches of Swiss views in this small notebook (Brig and La Tour-de-Peilz).
The order of the drawings on this website corresponds to the chronological course of the Mendelssohn journey and not necessarily to the order of the drawings in the albums. I have also deliberately included a few drawings from neighbouring countries, i.e. from places that formed part of his Swiss journey.
Villa Pliniana, Comersee (Italien), 19./20. Juli 1831
Bevor Mendelssohn von Süden her in die Schweiz einreiste, hielt er sich etwa zehn Monate auf Kavalierstour in Italien auf. In einem Brief vom 19. Juli 1831 schrieb er aus Mailand: «Nun ist es aber der 19te geworden und in einer Stunde steige ich in den Reisewagen, […] und wir fahren nach dem Comersee. Da badet man sich heut Abend; fliegt morgen zu Dampfboot hin und her; […] und eben hab ich mir Kellers Schweizercharte mit den blauen Schneebergen gekauft.» (siehe Übersichtskarte oben).
Offenbar hat er vom 19. auf den 20. Juli in Como übernachtet. In sein Reisenotizbuch schrieb er am Mittwoch, 20. Juli: «zu Kahn nach Pliniana, um 4 zu Dampf nach Cadenabbia.»
Die Zeichnung muss er vom «Kahn» (Segel-/Ruderboot, Gondel) oder vom Dampfboot aus gemacht haben. Dieser Umstand verrät einiges über Mendelssohns Flinkheit und Schnelligkeit im Zeichnen, denn selbst vom viel langsameren Kahn aus präsentiert sich dem Künstler die abzubildende Szene nicht lange unverändert.
Die Villa Pliniana (bei 45.8579, 9.1395) wurde im späten 16. Jahrhundert vom Grafen Giovanni Anguissola erbaut und nach den nahegelegenen Quellen benannt. Der Name dieser Quellen geht auf die beiden in Como geborenen römischen Gelehrten, Politiker und Naturforscher Plinio der Ältere und der Jüngere zurück (1./2. Jh. AD). Die Villa gehört heute einer Luxushotelkette und wird für besondere Anlässe, Hochzeiten und Veranstaltungen vermietet.
Ziemlich sicher logierte Mendelssohn in Cadenabbia (siehe 22. Juli weiter unten) und unternahm seine Ausflüge auf dem Comersee in den kommenden Tagen von dort aus. Allerdings sind seine Reisenotizen der folgenden Tage etwas verworren und möglicherweise teils sogar fehlerhaft.
Villa Pliniana, Lake Como (Italy), 19/20 July 1831
Before Mendelssohn arrived in Switzerland from the south, he spent about ten months in Italy on a Grand Tour. In a letter from Milan dated 19 July 1831, he wrote: «But now it is the 19th and in an hour I will be getting into the stagecoach […] and we will be going to Lake Como. There we will bathe tonight; tomorrow we will fly [sic] to and fro by steamboat; […] and I have just bought Keller’s Swiss map with the blue snowy mountains». (see overview map above).
Apparently, he spent the night in Como from 19 to 20 July. In his travel notebook he wrote on Wednesday, 20 July: «by barge to Pliniana, at 4 by steam to Cadenabbia.»
He must have made the drawing from the «barge» (sailing/rowing boat, gondola) or from the steamboat. This circumstance reveals something about Mendelssohn’s nimbleness and speed in drawing, for even from the much slower barge the scene to be depicted does not present itself to the artist unchanged for long.
The Villa Pliniana (at 45.8579, 9.1395) was built in the late 16th century by Count Giovanni Anguissola and named after the nearby springs. These springs were named after the two Roman scholars, politicians and naturalists Plinio the Elder and the Younger who were born in Como (1st/2nd century AD). Today the villa belongs to a luxury hotel chain and is rented out for special occasions, weddings and events.
It is quite certain that Mendelssohn lodged in Cadenabbia (see 22 July further below) and made his excursions on Lake Como from there in the days to come. However, his travel notes of the following days are somewhat confused and possibly even erroneous in parts.
Upd. 18.09.2024
Domaso, Comersee (Italien), 22. Juli 1831
Am 22. Juli reiste Mendelssohn «zu Dampf» nach Domaso (46.1494, 9.3235), wo er wieder eine Zeichnung machte und im Notizbuch vermerkte: «Schneeberge in Wolken».
Mendelssohn schreibt ausdrücklich auf der gegenüberliegenden Albumseite: «Auf dem Comersee Morgens Dampfboot, 22 July, Domaso vorne.» Zeitgenössischen Reiseführern zufolge traf das Boot um die Mittagszeit in Domaso ein, vielleicht just ein paar Minuten vor Mittag. Vielleicht speiste er hier zu Mittag und kehrte am Nachmittag zurück.
In der Zeichnung eindeutig erkennbar sind der Turm der Kirche San Bartolomeo (zweiter von links), die Villa Camilla, in der heute die Gemeindeverwaltung untergebracht ist. Das weiter rechts angedeutete Gebäude blieb anlässlich meines Besuchs unidentifiziert. Der Berg rechts besteht aus mehreren Gipfeln: Monte Brusada, Cima Malvedello und Monte Sciesa. Die Spitzen um den Sasso Manduino weiter links über der Villa Camilla sind tatsächlich in Wolken gehüllt, wie Mendelssohn schreibt.
Zwischen der Kirche San Bartolomeo und der Villa Camilla erscheint in der Zeichnung ein weiteres Gotteshaus im Hintergrund am Berghang. Das muss die San Salvatore sein (46.1592, 9.3335). Dann zeichnet Mendelssohn ganz am linken Blattrand einen weiteren Turm. Ein solches, von der Seepromenade oder vom See her (vom Boot aus) sichtbares Gebäude konnte ich nicht ausmachen. Falls der Turm der Kirche San Giovanni Battista unweit der San Bartolomeo gemeint ist, müsste dieser aber rechts von der San Bartolomeo abgebildet sein. Vermutlich hat Mendelssohn die Zeichnung vom fahrenden Schiff gemacht, und die Perspektive hat sich laufend verschoben.
Im Notizbuch vermerkt er, dass er von Domaso zurückgekehrt sei. Wohin, schreibt er allerdings nicht.
Domaso, Lake Como (Italy), 22 July 1831
On 22 July, Mendelssohn travelled «by steam» to Domaso (46.1494, 9.3235), where he again made a drawing and noted in the notebook: «Snowy mountains in clouds».
Mendelssohn explicitly writes on the opposite album page: «On Lake Como morning steamboat, 22 July, Domaso ahead.» According to contemporary travel guidebooks, the boat arrived in Domaso around midday, maybe just a few minutes before noon. Perhaps he had lunch here and returned in the afternoon.
The tower of the church of San Bartolomeo is clearly visible in the drawing (second from left), Villa Camilla, which today houses the municipal administration. The building appearing further to the right remained unidentified on the occasion of my visit. The mountain on the right consists of several peaks: Monte Brusada, Cima Malvedello and Monte Sciesa. The peaks around Sasso Manduino further to the left above Villa Camilla are indeed shrouded in cloud, as Mendelssohn writes.
Between the church of San Bartolomeo and Villa Camilla, another place of worship appears in the drawing in the background on the mountainside. This must be the San Salvatore (46.1592, 9.3335). Then Mendelssohn draws another tower at the far left edge of the sheet. I could not make out such a building visible from the lake promenade or from the lake (from a boat). If the tower of the church of San Giovanni Battista not far from San Bartolomeo is meant, it should be depicted to the right of San Bartolomeo. Presumably Mendelssohn made the drawing from the moving ship, and the perspective shifted continuously.
In the notebook he notes that he has returned from Domaso. Where to, however, he does not write.
Upd. 18.09.2024
Cadenabbia, Comersee (Italien), 22. Juli 1831
Laut seinem winzigen Reisenotizbuch zeichnete er am Morgen früh und am Abend. Zwischendurch reiste er «zu Dampf» nach Domaso (siehe vorherigen Eintrag). Es darf angenommen werden, dass er diese Zeichnung am Morgen begann und am Abend fertigstellte. Ein starker Hinweis darauf, dass er die ganzen vier Tage vom 20. bis 24. Juli in Cadenabbia logierte. Während er die anderen drei Zeichnungen vom Comersee in das Taschenskizzenbuch eintrug (Berlin Nachl. 22/B,1), zeichnete er diese Ansicht in ein deutlich grösseres Album (Oxford MDM d.3).
Anlässlich meiner Besuche in Cadenabbia gelang es mir nicht, die Häuser im Vordergrund zu identifizieren. Aus der Perspektive der Zeichnung zu schliessen, muss Mendelssohn sie in der unmittelbaren Umgebung des heutigen Grand Hotels Cadenabbia gemacht haben, vermutlich von einem erhöhten Aussichtspunkt, der sich damals möglicherweise in einer zum Hotel gehörenden Parkanlage befand (ungefähr bei 45.9878, 9.2327). Heute liegt dieser Punkt in dem zur Villa Carlotta gehörenden Botanischen Garten.
Nach spärlichen und teils widersprüchlichen Internetquellen wurde das Gasthaus 1802 oder 1820 (?) als Grande Albergo della Cadenabbia eröffnet, später in Hotel Bellevue (Bellavista) und Grand Hotel Cadenabbia umbenannt. In jüngerer Vergangenheit erfuhr das Haus eine umfassende moderne Neugestaltung. Im November 2023 schloss das Viersternehotel seine Tore. Nach Auskünften von Einheimischen soll es saniert und umgebaut und etwa im Jahr 2027 als Fünfsternehotel wieder eröffnet werden.
Die Zeichnung stellt eine Fortsetzung der im nächsten Eintrag gezeichneten Aussicht dar, obwohl von einem anderen Standort aus. Am oberen Blattrand vermerkt Mendelssohn die Namen der Ortschaften Fiume Latte, Bellagio, sowie der Villen Serbelloni und Melzi.
Der Blick ist hier nach Osten gerichtet. Das Bergpanorama von links nach rechts: Monte San Defendente, Cima Dasio, Monte Fopp, Monte Croce, Grigna Settentrionale, davor Monti Cucco und Palagia, Grigna Meridionale. Das Panorama überlappt sich mit dem in der nächsten Zeichnung etwa um die Hälfte der Breite.
Cadenabbia, Lake Como (Italy), 22 July 1831
According to his tiny travel notebook, he sketched early in the morning and in the evening. In between, he travelled to Domaso «by steam» (see previous entry). It may be assumed that he started this drawing in the morning and finished it in the evening. This is a strong indication that he stayed in Cadenabbia for the full four days from 20 to 24 July. While he sketched the other three drawings of Lake Como in the pocket sketchbook (Berlin Nachl. 22/B,1), he drew this view in a much larger album (Oxford MDM d.3).
On my visits to Cadenabbia, I did not succeed in identifying the houses in the foreground. Judging by the perspective of the drawing, Mendelssohn must have made it in the immediate vicinity of the present-day Grand Hotel Cadenabbia, presumably from an elevated vantage point, which was located in what may have been a park belonging to the hotel at the time (approx. at 45.9878, 9.2327). Today, this point is located in the Botanical Gardens belonging to Villa Carlotta.
According to sparse and sometimes contradictory internet sources, the hotel was opened in 1802 or 1820 (?) as Grande Albergo della Cadenabbia, later renamed Hotel Bellevue (Bellavista) and Grand Hotel Cadenabbia. In more recent times, the hotel underwent a comprehensive modern remodelling. The four-star hotel closed its doors in November 2023. According to information from locals, it is to be renovated and remodelled and reopened as a five-star hotel in around 2027.
The drawing represents a continuation of the view drawn in that of the next entry, although from a different location. At the top of the page, Mendelssohn notes the names of the towns Fiume Latte and Bellagio, as well as of the villas Serbelloni and Melzi.
The view here is to the east. The mountain panorama from left to right: Monte San Defendente, Cima Dasio, Monte Fopp, Monte Croce, Grigna Settentrionale, in front Monti Cucco and Palagia, Grigna Meridionale. The panorama overlaps with the one in the next drawing by about half the width.
Upd. 18.09.2024
Cadenabbia, Comersee (Italien), 23. Juli 1831
Der Samstag, 23. Juli ist von den Comersee-Tagen der rätselhafteste. Mendelssohns Originaleintrag im Notizbuch lautet:
«Sonntag [müsste Sonnabend heissen!], 23. Zu Fuss über Varenna (um 5) nach Lenno. Über Fiume-Latte u.[nd] den Wasserfall. Zu Dampf zurück. Ab.[end] Zeichnen.»
Der Tag begann offenbar mit einem Fussmarsch. Bloss: Cadenabbia-Varenna um das Nordende des Sees wäre 60 km weit, und von Varenna hätte er zuerst wieder über den See nach Lenno fahren müssen! Denn Lenno befindet sich auf der gleichen Seeseite wie das Hotel Cadenabbia (Bellevue) nur etwa 4 km entfernt und ist zu Fuss in kaum einer Stunde zu erreichen. Varenna muss also ein Verschreiber oder eine Verwechslung sein – vielleicht meinte er Tremezzo? Oder ist etwa der Vermerk «Zu Fuss» falsch und müsste als «zu Dampf» gelesen werden? Der Tag endete mit einer Dampferfahrt, bloss weiss man wieder nicht sicher, von wo nach wo! Gewiss ist bloss, dass er am Abend zeichnete, und zwar das Werk, das mit «Cadenabia 23 Jul» übertitelt ist.
An der Südecke des heutigen Grand Hotels Cadenabbia befindet sich eine kleine Anlage mit Schatten spendenden Glycinien und Sitzbänken mit Blick quer über den Comersee (bei 45.9873, 9.2337). Die Aussicht passt von hier aus so gut zu Mendelssohns Zeichnung, dass man sich fast in seine Zeit zurückversetzt fühlt und sich wundert, ob diese kleine Pergola oder eine ähnliche Anlage nicht schon damals zum Verweilen und Zeichnen einlud. Das Hotel Cadenabbia gibt es bereits seit 1802 oder 1820 (?).
Die Villa Melzi in Bellagio am gegenüberliegenden Ufer wurde 1813 für Francesco Melzi d’Eril, Herzog von Lodi, Vizepräsident der italienischen Republik unter Napoleon, erbaut. Die Gärten sind heute der Öffentlichkeit zugänglich und ein beliebtes Ausflugsziel, die Villa hingegen ist Privateigentum und kann nicht besichtigt werden.
Bellagio hatte Mendelssohn zwei Tage zuvor zusammen mit Freunden besucht. In seinem kleinen Reisenotizbuch erwähnte er u.a. die Villa Serbelloni (15./16. Jh.), heute ein Anwesen der Rockefeller Stiftung am Südhang des Hügels der Halbinsel. Das gleichnamige Luxushotel am Seeufer wurde erst nach Mendelssohns Besuch erbaut.
Im Hintergrund zeichnete Mendelssohn die Berge Grignia Settentrionale, Monte Palaggia, Zucco Sileggio, dahinter und darüber den Grignia Meridionale. Das Bild ist eine Fortsetzung der Zeichnung des vorherigen Eintrags, und der Blick schweift hier weiter nach Südosten. Ganz rechts im Hintergrund kommen noch Monte Coltignone (Cima Calolden) zum Vorschein.
Cadenabbia, Lake Como (Italy), 23 July 1831
Saturday 23 July is the most enigmatic of the Lake Como days. Mendelssohn’s original entry in the notebook reads:
«Sunday [should read Saturday!], 23rd on foot via Varenna (at 5) to Lenno. Via Fiume-Latte and the waterfall. Back by steam. Evening drawing.»
The day apparently began with a walk. Only: Cadenabbia-Varenna around the north end of the lake would be 60 km, and from Varenna he would have had to cross the lake again to Lenno first! For Lenno is on the same side of the lake as the Hotel Cadenabbia (Bellevue) only about 4 km away and can be reached on foot in barely an hour. So Varenna must be a misspelling or a mix-up – perhaps he meant Tremezzo? Or is the note «on foot» wrong and should be read as «by steam»? The day ended with a steamboat trip, but again we do not know for sure from where to where! All that is certain is that he drew in the evening, namely the work entitled «Cadenabia 23 Jul».
At the southern corner of today’s Grand Hotel Cadenabbia there is a small area with shade offered by glycines and benches overlooking Lake Como (at 45.9873, 9.2337). The view from here fits so well with Mendelssohn’s drawing that one almost feels transported back to his time and wonders if this small pergola or a similar park area did not invite one to linger and draw already at his time. The Hotel Cadenabbia has been there since 1802 or 1820 (?).
The Villa Melzi in Bellagio on the opposite shore was built in 1813 for Francesco Melzi d’Eril, Duke of Lodi, Vice-President of the Italian Republic under Napoleon. The gardens are now open to the public and a popular destination for excursions, but the villa is private property and cannot be visited.
Mendelssohn had visited Bellagio two days earlier together with friends. In his little travel notebook, he mentions, among other things, the Villa Serbelloni (15th/16th century), today an estate of the Rockefeller Foundation on the southern slope of the hill of the peninsula. The luxury hotel of the same name on the lakeshore was only built after Mendelssohn’s visit.
In the background, Mendelssohn drew the mountains Grignia Settentrionale, Monte Palaggia, Zucco Sileggio, behind and above them the Grignia Meridionale. The picture is a continuation of the drawing of the previous entry, and the view here continues further to the south-east. Monte Coltignone (Cima Calolden) appears in the far right background.
Upd. 18.09.2024
Cadenabbia-Luino/Italien, 24. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonntag um 7 in Menaggio zu Kahn. 9 in Porlezza zu Wagen. / Schl.[echtes] Wetter Zu Wasser über den See nach Lugano. Wasserfälle in / den See, hohe Felsen und Thürme, Landhäuser u.[nd] Wein. / Zu Wagen nach Luvino am lago magg.[iore]. Ab.[end] Kirchenfest / in Pantoffeln.»
Am frühen Sonntagmorgen 24. Juli ging es also zu Kahn nach Menaggio, per Wagen nach Porlezza und bei schlechtem Wetter über den Luganersee, per Wagen nach Luvino (Luino). Laut seinem Tagebuch ging er dort wegen Blasen an den Füssen in Pantoffeln zum Kirchenfest! Die Leute sollen gesagt haben: «poverino, è zoppo» (armer Kerl, er lahmt, hinkt). Tags darauf liess er sich wieder zu Dampf von Luvino nach Isola bella übersetzen.
Cadenabbia-Luino/Italy, 24 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Sunday at 7 in Menaggio by barge. 9 in Porlezza by carriage. / Bad weather. By water across the lake to Lugano. Waterfalls in / the lake, high rocks and towers [mountains], country houses and wine. / By carriage to Luvino on Lago Maggiore. Evening church service / in slippers.»
So, early on Sunday morning 24 July, he travelled by barge to Menaggio, by carriage to Porlezza and, in bad weather, across Lake Lugano, by carriage to Luvino (Luino). According to his diary, he went to the church service in slippers because of blisters on his feet, ! People said: «poor guy, he’s lame, he is limping». The next day he took the steam boat from Luvino to Isola bella.
Upd. ca. 05.05.2022
Luino-Isola bella/Italien, 25. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Mont[ag] Zu Dampf im schl.[echten] Wetter nach Isola bella. Brief an d.[ie] / Eltern, in den Gärten u.[nd] d.[em] Schloss d.[er] ruppigen Italienern / ein Abschiedsbetrug. Ab.[end] Isola madre, Spazieren.»
«Heut Abend bleibe ich hier, statt über den See zu fahren, es gefällt mir gar zu sehr auf dem Inselchen; zwar habe ich jetzt zwei Nächte nicht ordentlich geschlafen, die eine wegen unzähliger Donnerschläge, die andre wegen unzähliger Flöhe, und wahrscheinlich steht mir heute Nacht beides zusammen bevor, …» schrieb er auf der Borromäischen Isola Bella in seinen Tagebuchbrief. Und weiter: «Schändliches Wetter draussen, es donnert seit 6 Stunden fast ununterbrochen, …»
Wie er bei solchem Regenwetter bloss diese recht ansprechende Zeichnung machen konnte? Ganz zu Ende geführt ist sie nicht. Vielleicht erwischte er eine Regenpause, wurde dann aber doch wieder von einem Wolkenbruch überrascht.
Er stand auf einer der Terrassen der Pyramide (etwa bei 45.8947, 8.5276), sein Blick nach Nordnordwesten gerichtet. Die Hintergrundberge Monte Faiè und die Cime Pedum e Tuss sind in Wolken verhüllt, deutlich erkennbar ist aber links im Vordergrund der Mont’Orfano. Der Kirchturm gehört zur Kirche San Vittore Martire.
Jahrhunderte lang fristete der Fels im Lago Maggiore ein unspektakuläres Dasein. Auf ihm stand ein kleines Fischerdörfchen. Mitte des 17. Jhs. errichtete der piemontesische Adlige Carlo III. Borromeo für seine Frau Isabella einen Palast. Fortan hiess die Insel Isola Isabella. Dieser Name ging aber nicht so leicht über die Lippen, und mit der Zeit verkürzte er sich auf Isola bella. Die kulturellen Veranstaltungen sowie die zum Palast gehörenden terrassenförmigen Gartenanlagen machten diesen Ort zu einem beliebten Reiseziel des Adels aus ganz Europa.
Luino-Isola bella/Italy, 25 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Monday by steam in bad weather to Isola bella. Letter to parents, in the gardens and castle of the rude Italians a farewell fraud. Evening Isola madre, walking.»
«Tonight I shall stay here instead of going across the lake, I like it too much on the islet; though I have not slept properly for two nights now, one because of innumerable thunderclaps, the other because of innumerable fleas, and probably both are in store for me tonight, …» he wrote into his diary letter on the Borromean Isola Bella. And on: «Dreadful weather outside, it has been thundering almost continuously for six hours, …»
How could he have made this rather appealing drawing in such rainy weather? It is not quite finished. Perhaps he caught a dry spell, but was then surprised again by a downpour.
He was standing on one of the terraces of the pyramid (at about 45.8947, 8.5276), looking north-northwest. The background mountains Monte Faiè and the Cime Pedum e Tuss are shrouded in clouds, but clearly visible in the foreground on the left is Mont’Orfano. The steeple belongs to the church of San Vittore Martire.
For centuries, the rock in Lake Maggiore led an unspectacular existence. A small fishing village was located on it. In the middle of the 17th century, the Piedmontese nobleman Carlo III Borromeo built a palace for his wife Isabella. From then on, the island was called Isola Isabella. However, this name did not roll off the tongue easily, and over time it was shortened to Isola bella. The cultural events and the terraced gardens belonging to the palace made this place a popular destination for the nobility from all over Europe.
Upd. 19.10.2023
Isola Bella, Arona, Baveno, Domodossola, Italien, 26. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Dienst.[ag] zu Dampf nach Arona u.[nd] zurück. Grässl.[iches] Wetter. / Nach Baveno. Von dort Ab.[end] ½ 10 im Mondschein fort. In / der Nacht in Domodossola ½ 3.»
Gemäss seinem winzigen Reisenotizbuch und dem Tagebuch reiste Mendelssohn am Dienstag, den 26. Juli «zu Dampf» bei grässlichem Wetter nach Arona, um dort Post aufzugeben und wieder zurück nach Isola Bella.
«Auf dem lago maggiore und den Inseln hatte ich, wie ich Euch geschrieben habe, das schlechteste Wetter, es blieb anhaltend so wüst, stürmisch, nass dass ich mich etwas unmuthig Abends auf die Schnellpost setzte.» berichtete Mendelssohn in seinem Tagebuchbrief vom 31. Juli 1831 von Chamonix an seine Eltern.
Am Abend setzte er also per Boot nach Baveno über und stieg dort um 21:30 Uhr in den Wagen Richtung Simplonpass. «Wie wir kaum eine halbe Stunde gefahren waren kam der Mond vor, die Wolken zogen aus einander, …». Mitten in der Nacht um 02:30 Uhr kam er in Domodossola an.
Isola Bella, Arona, Baveno, Domodossola, Italy, 26 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Tuesday by steam to Arona and back. Ghastly weather. / To Baveno. Left there in the evening ½ 10 by moonlight. In / the night in Domodossola ½ 3.»
According to his tiny travel notebook and diary, on Tuesday 26 July Mendelssohn travelled by steam in atrocious weather to Arona to post mail and back to Isola Bella.
«On Lake Maggiore and the islands, as I had written to you, I had the worst weather, it remained so desolate, stormy and wet that I took a seat somewhat discontentedly on the express post coach in the evening.» reported Mendelssohn in his diary letter of 31st July 1831 from Chamonix to his parents.
In the evening, he crossed over to Baveno by boat and got on the coach there at 21:30 hrs in the direction of the Simplon Pass. «As we had been riding for barely half an hour, the moon came out, the clouds moved apart, …». He arrived in Domodossola in the middle of the night at 02:30.
Upd. 07.07.2024
Gondo, 27. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Mittw.[och] 27 Die Simplonstrasse in göttl.[ichem] Wetter, Morgens über Isella, / u.[nd] d.[ie] Gränze. Schneeberge. / Durch die Wolken ins Wallis hinab nach Brieg. Ab.[end] Spaz.[iergang] nach / Naters. Nachher Prellereien.»
Über den Simplon Pass konnte er, wie er im Tagebuch ausführlicher schreibt, «…den ganzen göttlichen Weg recht von Grund aus geniessen, wie er sich erst durch die hohen grünen Thäler, dann durch die Felsengen, dann durch die Wiesen, endlich bei den Gletschern und Schneebergen vorbeywindet.»
In einer solchen Felsenge liegt das schweizerische Grenzdorf Gondo, eingeklemmt in fast senkrechten Steilwänden, die Mendelssohn beeindruckt haben mussten. Das war für ihn ein Anblick für das Zeichenalbum. Die Zeichnung dürfte er etwa 200 m westlich des Stockalperturms gemacht haben (ungefähr bei 46.19638, 8.13779).
Mit dem gezeichneten Bauwerk muss der Stockalperturm gemeint sein. Die von Mendelssohn dargestellte Westfassade mit dem Treppengiebel und ein Teil des Hauptbaus wurden am 14. Oktober 2000 durch einen verheerenden Erdrutsch zerstört, in welchem 13 Menschen ihr Leben verloren. In den Jahren darauf wurde ein moderner Anbau angebracht. Im reparierten Hauptbau befindet sich heute das Stockalper Hotel und ein Museum.
In der Zeichnung macht es den Anschein, als ob der Turm vor dem Hauptbau stünde, obwohl dieser an der Ostfassade und damit vom Standort aus gesehen hinter dem Hauptbau steht. Die Vermutung liegt nahe, dass der Zeichner die Bauten erst später aus der Erinnerung ergänzt hat.
Fotografisch lässt sich die Zeichnung nur zerstückelt rekonstruieren, denn Bauten neueren Datums und Sträucher verdecken Teile der Ansicht.
Gondo, 27 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Wednesday 27 The Simplon road in divine weather, in the morning over Isella, / and the border. Snowy mountains. / Through the clouds down into the Valais to Brieg. Evening walk to / Naters. Afterwards frauds.»
Over the Simplon Pass, he was able, as he writes in more detail in his diary, «…to enjoy the whole divine path thoroughly, as it winds first through the high green valleys, then through narrow cliff gaps, then through the meadows, and finally past the glaciers and snow mountains.»
The Swiss border village of Gondo lies in such a narrow cliff gap, wedged in between almost vertical cliffs that must have impressed Mendelssohn. For him, it was a sight for the drawing album. He probably made the drawing about 200 m west of the Stockalper Tower (approximately at 46.19638, 8.13779).
The building he drew must be the Stockalper Tower. The west facade with the stepped gable depicted by Mendelssohn and part of the main building were destroyed by a devastating landslide on 14 October 2000, in which 13 people perished. In the following years, a modern extension was added. The repaired main building now houses a hotel and a Museum.
In the drawing, it appears as if the tower is in front of the main building, although it is on the east facade and thus behind the main building as seen from the viewing location. It seems likely that the draughtsman added the buildings later from memory.
Photographically, the drawing can only be reconstructed in fragments, because more recent buildings and shrubs obscure parts of the view.
Upd. 04.09.2023
Simplon Dorf, 27. Juli 1831
«Der Rossboden aus dem Fenster des Wirthshauses in Simplon» übertitelt Mendelssohn seine Zeichnung und schreibt im Tagebuch über seinen Mittagsaufenthalt im Dorf Simplon: «Eine nette französische höfliche Frau hat oben ein Wirthshaus, und auch das ist schwer zu beschreiben, wie wohl einem die dürftige Reinlichkeit thut, die nie in Italien zu finden ist. Aber es muss gerühmt werden, dass ich dort zu Mittag ass und dabey das Fletschhorn aus dem Fenster sah.» Es muss sich um das frühere Hotel Post gehandelt haben (46.19563, 8.05512). In zeitgenössischen Reiseführern wird kein anderes Wirtshaus als die Post genannt.
Die Sache mit den Begriffen Rossboden und Fletschhorn ist recht verworren. Das Fletschhorn soll früher den Namen Rossbodenhorn getragen haben. Dieses, zusammen mit mehreren anderen Gipfeln, war Teil der Weissmiesgruppe, zu welcher auch das von Mendelssohn gezeichnete Böshorn zählte. Eine «entfernte Verwandtschaft» kann also nicht ganz abgesprochen werden. Dennoch ist aber das Fletschhorn alias Rossbodenhorn von Simplon Dorf aus nicht sichtbar, da durch das Bodmerhorn und seinen Ausläufern verdeckt.
Tatsächlich hat Mendelssohn das Böshorn und das Griessernuhorn (dunkel schraffiert) sowie den Galu-Grat (nur Bleistiftlinien) gezeichnet. Das ganze Gebiet des Südosthangs dieser Berge gegen den Senggibach hinunter war und ist als Rossboden Alp bekannt. Der Begriff Rossboden hat also durchaus seine Richtigkeit im Zusammenhang mit diesem Bild. Der im Tagebuch erwähnte Name Fletschhorn muss aber Missverständnissen unterliegen.
Im altehrwürdigen Hotel Post, das Napoleon 1810 zunächst als Offizierskaserne erbauen liess, richtete zwei Jahre später ein französischer Postmeister und Wirt eine Gaststätte ein. Im Jahr 1830 übernahm die Gemeinde Simplon das Haus. Anlässlich meines Besuchs war das Gasthaus nicht in Betrieb, laut dessen Webseite soll in dem Haus demnächst ein Laden eingerichtet werden.
Einmal mehr lässt sich Mendelssohns Zeichnung fotografisch nicht ganz wirklichkeitsgetreu rekonstruieren, denn er vermerkte darauf ausdrücklich: «… aus dem Fenster des Wirthshauses». Schräg gegenüber des Hotels Post auf einem Parkplatz gewann ich den wohl passendsten Blick für mein Vergleichsfoto.
Village of Simplon, 27 July 1831
Mendelssohn titled his drawing «The Rossboden from the window of the inn in Simplon» and wrote in the diary about his lunchtime stay in the village of Simplon: «A nice, polite French woman has an inn up there, and that too is difficult to describe, as the fair cleanliness, which can never be found in Italy, does one good. But it must be praised that I ate lunch there and saw the Fletschhorn out of the window.» It must have been the former Hotel Post (46.19563, 8.05512). Contemporary travel guides do not mention any other inn than the Post.
The matter of the terms Rossboden and Fletschhorn is rather confused. The Fletschhorn is said to have formerly borne the name Rossbodenhorn. This, along with several other peaks, was part of the Weissmies group, to which the Boeshorn in Mendelssohn’s drawing also belonged. Therefore, a «distant relationship» cannot be completely denied. Nevertheless, the Fletschhorn alias Rossbodenhorn is not visible from the village of Simplon because it is hidden by the Bodmerhorn and its foothills.
In fact, Mendelssohn drew the Boeshorn and the Griessernuhorn (hatched dark) as well as the Galu Ridge (pencil lines only). The whole area of the south-eastern slope of these mountains down towards the Senggibach stream was and is known as the Rossboden Alp. The term Rossboden is therefore quite correct in connection with this picture. The name Fletschhorn mentioned in the diary , however, must be subject to misunderstandings.
In the venerable Hotel Post, which Napoleon initially had built as officers‘ barracks in 1810, a French postmaster and innkeeper set up an inn two years later. In 1830, the Simplon municipality took over the building. On the occasion of my visit, the inn was not in operation; according to its website, a shop will soon be set up in the house.
Once again, Mendelssohn’s drawing cannot be reconstructed photographically quite true to reality, because he expressly noted on it: «… from the window of the inn». Diagonally opposite the Hotel Post in a small car park I gained the most suitable view for my comparison photo.
Upd. 25.09.2024
Brig/Naters, 27. Juli 1831
Im Notizbuch (siehe weiter oben unter Gondo) fasste er sich äusserst kurz und verwendete oft Abkürzungen und Symbole. Nach mehreren Tagen grässlichen Wetters klarte es während der Simplonüberquerung endlich auf, und er erfreute sich göttlichen Wetters. Offenbar geriet er im Wallis dann aber doch wieder unter die Wolkendecke. Am Abend machte er einen Spaziergang nach Naters, der ihn über die damals einzige Brücke bei Brig über die Rhone führte (etwa bei 46.32015, 7.98308). Bei dieser Gelegenheit entstand diese ziemlich flüchtige Skizze im Notizbuch, dessen Grösse gerade mal einer modernen Kreditkarte entsprach! Das Textfragment oben – «[…] über die Gränze. Schneeberge.» – ist nicht der Titel der Zeichnung, sondern eine Textfortsetzung der vorigen Seite. Unten rechts notierte Mendelssohn: «Auf der Rhone Brücke in Brieg».
Die heutige Brücke ist neueren Datums und wird nur noch als Fussgänger- und Radfahrerbrücke verwendet.
Etwas vage angedeutet sind im Hintergrund die Berge Mällich, Schwarzhorn, Augstbordhorn, March Violenhorn, Ginalshorn und das Altstafelshorn.
Das Doppelhaus mit dem Schrägdach am rechten Rhoneufer (Kiesweg 4/6 Naters) scheint zumindest teilweise noch original erhalten zu sein, dürfte aber im Lauf der fast zwei Jahrhunderte einige Umbauten erfahren haben. Die alten Holzspeicher sind längst verschwunden und haben modernen Häusern, einer Eisenbahnbrücke und einem Kieswerk Platz gemacht.
Dank der freundlichen Unterstützung durch das Bauamt Naters und orts- und geschichtskundigen Einheimischen anlässlich meines Besuchs in Brig und Naters Ende Juni 2024 konnte ich lediglich in Erfahrungen bringen, dass es in den 1990-er Jahren als «erhaltenswertes Objekt» eingestuft wurde. Welchem Zweck es in Mendelssohns Zeit gedient haben mag, scheint nicht überliefert zu sein. War es ein Bauernhaus, eine Sust, ein Kaufhaus/Zollhaus, oder ein gewöhnliches Wohnhaus? Sollte jemand Bescheid wisssen – ich wäre sehr dankbar für Informationen zur Ergänzung auf diesem Blog.
Hatte Mendelssohn noch am Tag zuvor einen «Abschiedsbetrug» durch die «ruppigen Italiäner» auf den Borromäischen Inseln erlitten, so beklagte er sich auch hierzulande in Brig, vermutlich in seinem Wirtshaus, über «infame Prellereien» (Tagebuchbrief). Ein Übel, das damals in der ganzen Schweiz verbreitet war, und worüber sich fremde Reisende oft beschwert haben.
Brig/Naters, 27 July 1831
In his notebook (see further above under Gondo) he was extremely brief and often used abbreviations and symbols. After several days of terrible weather, it finally cleared up during the Simplon Pass crossing, and he enjoyed divine weather. Apparently, he then got under the cloud cover again in the Valais. In the evening he went for a walk to Naters, which took him over the only bridge near Brig over the Rhone at the time (at about 46.32015, 7.98308). It was on this occasion, that this rather fleeting sketch was made in the notebook, the size of which was just the equivalent of a modern credit card! The text fragment at the top – «[…] across the border. Snow mountains.» – is not the title of the drawing, but a continuation of the text from the previous page. At the bottom right, Mendelssohn noted: «On the Rhone bridge in Brieg».
The current bridge is more recent and is only used as a pedestrian and cyclist bridge.
Somewhat vaguely indicated in the background are the mountains Maellich, Schwarzhorn, Augstbordhorn, March Violenhorn, Gignalshorn and the Altstafelhorn.
The double house with the shed roof on the right bank of the Rhone (Kiesweg 4/6 Naters) appears to be at least partially original, but it has probably undergone some alterations over the course of almost two centuries. The old wooden storage huts and residential buildings have long since disappeared, making way for modern houses, a railway bridge and a gravel works.
Thanks to the friendly support of the Naters building authority and locals with knowledge of the area and its history, I was able to find out during my visit to Brig and Naters at the end of June 2024 only that in the 1990s it was categorised as an object «worthy of preservation». What purpose it may have served in Mendelssohn’s time does not seem to be recorded. Was it a farmhouse, a Sust (trading post and inn for muleteers), a Kaufhaus (bonded warehouse/customs house), or an ordinary residential building? If anyone knows more about it – I would be very grateful for information to add to this blog.
Just the day before, Mendelssohn had suffered a «farewell fraud» by the «rude Italians» on the Borromean Islands, and here in Brig he again complained about «infamous cheating», presumably in his inn (diary letter). At the time, this was a common problem throughout Switzerland, and one that foreign travellers often complained about.
Upd. 24.07.2024
Leuk (Susten), 28. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Donnerstag 28. zu char à banc über Visp u.[nd] Tourtemagne nach / Leuk. Nach Sion. Über Riddes. Ab.[end] nach Martigny.»
Auf seiner Reise von Brig nach Martigny zu Char-à-bancs (Pferdewagen mit Bänken) dürfte Mendelssohn im Dorf Susten – früher auch Leuker Suste genannt – eine Mittagsrast eingelegt haben, die ihm auch Zeit für eine Zeichnung liess.
Der Zeichner stand am Strassenrand wenige Meter östlich von der gedeckten Brücke. Der Standort (46.31201, 7.63891) liegt heute in einem kleinen Parkplatz zwischen zwei Verkehrskreiseln am Südufer der Rhone. Der Blick ist nach Nordnordwesten gerichtet und beinhaltet die Ringackerkapelle, den Turm des Bischofsschlosses, das Rathaus und rechts am Hang oben die Schützenlaube, die alle heute noch stehen, obgleich in teils etwas geändertem Aussehen. So wurde dem Schlossturm im 19. Jh. das Zeltdach weggenommen, und Anfang des 21. Jh. wurde ihm eine von Mario Botta entworfene Glaskuppel aufgesetzt. Auch die zwei Häuser Alter Kehr 5 und 7 (unten neben der Brücke) sowie der alte Speicher rechts davon sind noch wenig verändert erhalten geblieben. Die gedeckte Holzbrücke wurde jedoch abgebrochen und 1915 durch die Eisenbahnbrücke der Leuk-Leukerbader-Eisenbahn (LLB) ersetzt. Letztere blieb seit der Einstellung des Bahnbetriebs 1967 als Fussgängerbrücke erhalten.
Links der Berg Tschajetuhorn, die dunkel schraffierten Berge sind das Schwarzhorn und die Leeshörner.
Leuk (Susten), 28 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Thursday 28. by char à banc via Visp and Tourtemagne to / Leuk. To Sion. Via Riddes. Evening to Martigny.»
On his journey from Brig to Martigny by horse-drawn carriage (with benches), Mendelssohn probably stopped for a lunch break in the village of Susten – formerly also called Leuker Suste – which also allowed him some time for a drawing.
The draughtsman was standing at the roadside a few metres east of the covered bridge. Today, the site (46.31201, 7.63891) is in a small car park between two traffic roundabouts on the south bank of the Rhone. The view is to the north-north-west and includes the Ringacker Chapel, the tower of the Bishop’s Castle, the Town Hall and, to the right on the slope above, the Schuetzenlaube (shooting gallery?), all of which are still standing today, although in somewhat altered appearance in places. In the 19th century, for example, the tent roof was removed from the castle tower, and at the beginning of the 21st century a glass dome designed by Mario Botta was added. The two houses Alter Kehr 5 and 7 (below, next to the bridge) and the old granary to the right of them have also been preserved with little change. However, the covered wooden bridge was demolished and replaced in 1915 by the railway bridge of the Leuk-Leukerbad Railway (LLB). The latter has remained as a footbridge since the railway ceased operations in 1967.
On the left is the Tschajetuhorn mountain, the dark shaded mountains are the Schwarzhorn and the Leeshoerner.
Upd. 01.08.2023
Riddes, 28. Juli 1831
Auf seiner Tagesetappe von Brig nach Martigny entstand kurz vor der Ankunft in Martigny noch eine zweite Zeichnung. Mendelssohn: «…gegen Abend bey Riddes werden die Felsformen furchtbar toll, wie ich sie fast nie in den Alpen gesehn hatte und dabey bleibt vorne immer das liebliche Land.»
Dass die Bergkulisse hinter dem spitznasenförmigen Sommet de l’ardève mit den vielen schroffen Bergzacken dahinter Mendelssohn sehr beeindruckt und ihn zu einer Zeichnung verlockt haben mussten, erstaunt nicht. Der Anblick Richtung Nordwesten ist schlicht spektakulär!
Obwohl keine identifizierbaren Vordergrundelemente in der Zeichnung vorkommen, kann der Standort auf Grund der Bergperspektive, insbesondere am linken und rechten Abhang des Sommet de l’ardève, recht gut bestimmt werden. Dieser charakteristische Berg liegt fast dreimal näher als die dahinter liegenden Gipfel – Pointe d’aufalle, Petit Muveran, Pointe de Chemo, Pointes de Tsérié -, deshalb wirken sich schon kleine Verschiebungen auf der Hauptstrasse von Riddes deutlich auf die Bergperspektive aus.
Der Standort kann in der Nähe der heutigen Holzfirma Fournier & Cie. (bei 46.17551, 7.22511) an der Rue du Faubourg, etwa 330 m nordöstlich der Dorfmitte angenommen werden. Die Position stimmt am besten mit der Liegenschaft Rue du Faubourg 29-33 überein. Ob das Haus damals schon existierte und vielleicht als Wirtshaus diente?
Auffallend: Das Haus links in der Zeichnung könnte eine Sägerei mit Wasserantrieb sein, oder etwa eine Mühle?
Riddes, 28 July 1831
On his leg from Brig to Martigny, he made a second drawing shortly before his arrival in Martigny. Mendelssohn: «…towards the evening at Riddes the rock formations become awesome, such as I had almost never seen in the Alps, and yet the lovely countryside always remains in the foreground.»
It is not surprising that the mountain scenery behind the pointed-nosed Sommet de l’ardève with its many rugged mountain peaks behind it must have impressed Mendelssohn very much and enticed him to draw it. The view to the northwest is simply spectacular!
Although there are no identifiable foreground elements in the drawing, the location can be determined quite well based on the mountain perspective, especially on the left and right slopes of the Sommet de l’ardève. This characteristic mountain is almost three times closer than the peaks behind it – Pointe d’aufalle, Petit Muveran, Pointe de Chemo, Pointes de Tsérié – so even small shifts on the main road of Riddes affect the mountain perspective considerably.
The location can be assumed to be near the present-day timber company Fournier & Cie. (at 46.17551, 7.22511) on Rue du Faubourg, about 330 m north-east of the village centre. The position corresponds best with the property at 29-33 Rue du Faubourg. Did the house already exist at that time and perhaps serve as an inn?
Striking: The house on the left in the drawing could be a water powered sawmill, or a mill?
Upd. 06.10.2024
Martigny/Forclas, 29. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Freit.[ag] 29. Allein zu Fuss nach le Bourg, Ste Croix etc. Ein / dicker, watschliger Junge trägt mir d.[ie] Sachen nach Trient. Von / dort [au]f den Col de Balme, Schnee, mt blanc, Nebel, d.[ie] lust.[ige] / Gesellschaft zu Maulesel. Mit dem Wirth nach Chamouny, / dort angek.[ommen] um ¾4. table d’hôte. Dann im Garten.»
Mendelssohn verliess hier also nochmals für ein paar Tage die Schweiz. Mit einem dicken Bauernjungen als Bergführer und Träger erklomm er den Col de la Forclas – Ziel Chamonix, einer der damaligen touristischen Epizentren in Europa. Irgendwo auf diesem Aufstieg machte er diese Zeichnung vom Blick zurück ins Rhonetal. Die Standortbestimmung ist jedoch allein mit Landkarten und PeakFinder sehr schwierig – möglicherweise bei Chanton (46.07031, 7.02661) oder Les Mayens Bas (46.06181, 7.01271).
Leider bin ich kein trittsicherer Berggänger mehr und scheue Gebirgstouren in steiles Gelände. Welcher Wandervogel hat Lust, dieses Bild auszukundschaften? Für Rückmeldungen bin ich dankbar.
Martigny/Forclas, 29 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Friday 29. Alone on foot to le Bourg, Ste Croix etc. A / fat, waddish boy carries my luggage to Trient. From / there to the Col de Balme, snow, mt blanc, fog, the merry / company by mule. With the innkeeper to Chamouny, / arrived there at ¾4. table d’hôte. Then in the garden.»
So Mendelssohn left Switzerland again here for a few days. With a fat farm boy as his guide and porter, he climbed the Col de la Forclas – final destination Chamonix, one of the tourist epicentres in Europe at the time. Somewhere on this climb he made this drawing of the view back into the Rhone Valley. However, determining the location is very difficult by means of maps and PeakFinder alone – possibly at Chanton (46.07031, 7.02661) or Les Mayens Bas (46.06181, 7.01271).
Unfortunately, I am no longer a sure-footed mountain walker and shy away from mountain tours in steep terrain. Which keen hiker would like to explore this picture? I would be grateful for any feedback.
Upd. ca. 02.11.2022
Chamonix/Königreich Sardinien, 30. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnab.[end] 30 in Chamouni göttl.[iches] Wetter. Ruhig zeichnen. Schau… [?] / Ab.[end] d.[ie] Gsch. [Gesellschaft?] mit dem Mädchen, das Steine verkauft u.[nd] spaz.[ieren].»
Die mächtigen Berge im Chamonix-Tal entzückten und faszinierten Mendelssohn so sehr, dass er seinen Eltern zum Dank, dass sie ihm diese Reise ermöglichten, die folgenden Worte an sie schrieb: «…gestern ging ich bei Sonnenuntergang hier vor dem Hause auf und ab, suchte jedesmal, wenn ich den Bergen den Rücken kehrte, die Massen mir recht lebhaft zu denken, und jedesmal wenn ich mich wieder umdrehte waren sie weit über meine Vorstellung. Da sind alle Worte und Bilder und Gedanken zu klein, nur wenn man es mit dem Auge sieht, kann man sichs vorstellen.»
Mendelssohn zeichnete meistens nur auf das rechte Blatt des aufgeschlagenen Zeichenalbums. Die linke Seite liess er leer oder brachte Notizen an. Im vorliegenden Fall setzte er das Bergpanorama über die Bindung hinaus nach links fort, arbeitete es jedoch nicht mehr fein heraus und setzte die Namen der Berge ausnahmsweise an den unteren Blattrand. Diese entsprechen jedoch nicht mehr den heutigen Gebräuchlichkeiten (siehe auch Erläuterungen unter dem 15. September 1822).
Für diese Zeichnung spazierte Mendelssohn einen knappen halben Kilometer nach Norden und stellte sich unweit des Weilers Les Planes auf (heute Plans, etwa bei 45.9279, 6.8695). Wie so oft präsentiert sich heute der Anblick von jener Region aus nicht mehr so, wie er sie gesehen hat. Das Prieuré und die Kirche werden von neueren Bauten im Vordergrund verdeckt.
Chamonix/Kingdom of Sardinia, 30 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Saturday 30 in Chamouni divine weather. Drawing calmly. Sch… [?] / Evening the company[?] with the girl who sells stones, and walk.»
The mighty mountains in the Chamonix valley enchanted and fascinated Mendelssohn so much that he wrote the following words to his parents to thank them for making this journey possible: «…yesterday I walked up and down here in front of the house at sunset, trying to imagine the masses quite vividly every time I turned my back on the mountains, and every time I turned around again they were far beyond my imagination. All words and pictures and thoughts are too small, only when you see it with your eyes can you imagine it.»
Mendelssohn usually drew only on the right-hand page of the open sketch book. He left the left-hand page blank or added notes. In this case, he continued the mountain panorama beyond the binding to the left, but did not work it out finely and exceptionally placed the names of the mountains at the bottom of the page. However, these no longer correspond to current usage (see also the explanations under 15 September 1822).
For this drawing, Mendelssohn walked about half a kilometre to the north and positioned himself not far from the hamlet of Les Planes (today Plans, at about 45.9279, 6.8695). As is so often the case, the view from that region today is not as he saw it. The Priory and the church are hidden by newer buildings in the foreground.
Upd. 01.08.2023
Chamonix/Königreich Sardinien, 30. Juli 2023*
Das einzige, was eindeutig bestimmbar ist, sind die Berge: Aiguille à Bochard, Aiguille des Grands Montets, Petite Aiguille Verte, Aiguille Carrée und die Doppelspitze der Aiguille Verte und des Grand Dru. Der Standort lässt sich nicht so genau bestimmen, dürfte aber in der näheren Umgebung des Ortskerns oder im Kirchhof gelegen haben.
*) Ein Datum ist auf dem Zeichnungsblatt selber nicht vermerkt, vermutlich nur auf der Gegenseite links (Fol. 29v), die mir leider nicht vorliegt. Die Archivverzeichnisse sowohl von Oxford wie auch Berlin geben den 30. Juli an. Selbst wenn das Datum tatsächlich so niedergeschrieben ist, halte ich es für möglich und sogar wahrscheinlich, dass Mendelssohn diese Zeichnung erst tags darauf fertiggestellt hat.
Am 30. Juli schrieb er zwar tatsächlich in sein winziges Reisenotizbuch: «Ruhig zeichnen.» Das kann sich gut auf die vorherige Doppelseite bezogen haben, die er ein paar hundert Meter nördlich vom Dorfkern gemacht hat. Am 31. erwähnt er aber in seinem Reisenotizbuch den Ausflug zum Montenvers (Montanvert) und schreibt weiter: «Abend Zeichnen auf dem Kirchhof.» Abgesehen von der nachfolgend behandelten Zeichnung vom Dru und vom nahen Glacier des Bois, die er am 31. unterwegs auf der genannten Wanderung in sein kleines Taschenskizzenbuch gezeichnet hat, sind von diesem Tag keine weiteren Zeichnungen bekannt. Deshalb liegt es nahe, dass die hier gezeigte Zeichnung vom 31., und nicht vom 30. stammt. Das wäre auch ein Hinweis auf den Standort im «Kirchhof», von welchem die Perspektive recht gut passt (45.9244, 6.8672).
Chamonix/Kingdom of Sardinia, 30 July 2023*
The only things that can be clearly identified are the mountains: Aiguille à Bochard, Aiguille des Grands Montets, Petite Aiguille Verte, Aiguille Carrée and the double peak of the Aiguille Verte and the Grand Dru. The location cannot be determined so precisely, but it is likely to have been in the immediate vicinity of the village centre or in the churchyard.
*) There is no date on the drawing page itself, presumably only on the opposite page on the left (fol. 29v), which unfortunately I do not have. The archive directories of both Oxford and Berlin give 30 July. Even if the date is indeed written down like that, I consider it possible and even probable that Mendelssohn did not complete this drawing until the following day.
On 30 July, he did indeed write in his tiny travel notebook: «draw quietly.» This may well have referred to the previous double-page he made a few hundred metres north of the village centre. However, on the 31st he mentions the trip to Montenvers (Montanvert) in his travel notebook and goes on to write, «Evening drawing in churchyard.» Apart from the drawing of the Dru and the nearby Glacier des Bois discussed below, which he drew in his small pocket sketchbook on the 31st on the way to the aforementioned hike, no other drawings are known from that day. It therefore stands to reason that the drawing shown here is from the 31st and not the 30th. This would also be a clue to the location in the «Kirchhof» (churchyard), from which the perspective fits quite well (45.9244, 6.8672).
Upd. 17.06.2023
Les Bois (Chamonix/Königreich Sardinien), 31. Juli 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnt[ag]. 31 nach d.[em] Montanvert 1½ St. mit Michel Desvoissaux / dem Führer. Aufs mer de glace. Zurück an d.[ie] Quellen des Arveiron u.[nd] d.[urch] d.[as] Thal nach Hause. Himml.[isches] Wetter. Ab.[end] Zeichn.[en] [au]f dem Kirchhof. Br.[ief] an d.[ie] Eltern.»
In dieser Zeichnung sind die Aiguilles du Dru und der Gletscher Glacier des Bois abgebildet. Damit ist der untere Abschnitt des einst grossen Gletschers Mer de Glace (Eismeer) gemeint. Zutreffender wäre heutzutage eher «Mer de Pierres» (Steinmeer), da sich der Gletscher gut 3 km weit zurückgezogen hat und ein riesiges, wüstes, ödes Schotterbett zurückgelassen hat.
Leider konnte ich diese Zeichnung vor Ort nicht genauer auskundschaften. Auf den ersten Blick verwirrt sie etwas, denn die Flanken des Dru scheinen sich unter dem Gletscher fortzusetzen. Das sind wohl eher zufällige Linienverläufe und damit eine Täuschung. Oder etwa ein absichtlicher Scherz?
Die Druckgrafiken von Gabriel Lory Père aus dem Jahr 1815 und Carl Hackert (ca. 1781) sorgen für Klarheit. Mendelssohn dürfte ganz nah bei der damaligen Gletscherzunge gestanden haben (ungefähr bei 45.9428, 6.9034), unweit des Weilers Les Bois.
Tatsächlich sieht man aber über den Eiszacken des Gletschers nur die oberste Spitze des Dru, der dunkel schraffierte Bereich darunter ist der näher gelegene Hügelzug der Rochers des Mottets. Von diesem Hang strömten mehrere Seitenbäche vom Gletscher in den Arveyron (links unten, ausserhalb der Zeichnung).
Infolge der Ungewissheit über den Standort konnte ich keine Vergleichsfoto machen. Das weiter unten gezeigte Panorama wird der Zeichnung nicht gerecht, lässt dafür aber den Gletscherschwund eindrücklich erkennen.
Les Bois (Chamonix/Kingdom of Sardinia), 31 July 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Sunday. 31 to the Montanvert 1½ hours with Michel Desvoissaux / the guide. To the mer de glace. Back to the sources of the Arveiron and through the valley home. Heavenly weather. Evening drawing in the churchyard. Letter to the parents.»
This drawing shows the Aiguilles du Dru and the Glacier des Bois. This term refers to the lower section of the once large glacier Mer de Glace (Sea of Ice). Nowadays, it would be more appropriate to call it «Mer de Pierres» (Sea of Stones), as the glacier has retreated a good 3 km, leaving behind a huge, desolate, barren gravel bed.
Unfortunately, I was not able to explore this drawing more closely on site. At first glance, it is a somewhat confusing because the flanks of the Dru seem to continue under the glacier. These are probably rather coincidental lines and thus an illusion. Or perhaps a deliberate joke?
The prints by Gabriel Lory Père from 1815 and by Carl Hackert (ca. 1781) provide clarity. Mendelssohn must have been standing very close to the glacier tongue at the time (approximately at 45.9428, 6.9034), not far from the hamlet of Les Bois.
In fact, however, only the uppermost tip of the Dru can be seen above the ice jags of the glacier; the dark shaded area below is the closer hillside of the Rochers des Mottets. From this slope, several side streams from the glacier flowed into the Arveyron (on the left below, outside the drawing).
Due to the uncertainty about the location, I was unable to take a comparison photo. The panorama shown further below does not do justice to the drawing, but it clearly shows the glacier’s recession.
Upd. 01.08.2023
Weiterreise Chamonix-Genf-Vevey. 1.-5. August 1831
Versuch eines Transkripts des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben und teils auf Vermutungen/Annahmen basierend]:
«Montag 1 Aug.[ust] Schl.[echtes] Wetter. Sehr unwohl, Schnupf.[en] Nach Genf / in Char à b.[ancs] über S. Martin u.[nd] Bonneville.
Dienst.[ag] Morg.[en] Vis.[ite] Diod.[ati] nicht zu Haus. Spazieren.. nach Sécheron, / [./. weiter/nochmals?] Zeitungen, 1 [Uhr] Vis.[ite] Diod.[ati], Lombard, 6 [Uhr] Diod.[ati] Thee u.[nd] Ab.[endessen?]
Mittw.[och] 3 …[?] an Diod.[ati], dann Compon.[ieren] bei ihm. dann[?] Spaz.[ieren] / mit ihm; Gespr.[äch] über Konfs [Konfessionen?]; Essen bei ihm Ab.[end] Bey[?] seinem[?] / Schwager[?] mit der Engl.[ischen] Frau. Vis.[ite] v.[on] Dr. Lombard.
Donnerst.[ag] Nach pt Saconex zu Doxats im Regen. Zu Diod.[ati] Essen / dann Arb.[eiten]. Ab.[end] bei ihm Absch.[ied] Br.[ief] an d.[ie] Eltern.
Freitag. 5 Morg.[en] Sendung nach München. Packen. Um 9 [Uhr] aufs Dampf- / boot begleitet v.[on] Diodati. Im starken Wind (unwohl) nach Vevay, / dort um 4 [Uhr]. Spaz.[ieren] Ab.[end] Br.[ief] an Fanny.»
In Genf ging er mehreren gesellschaftlichen Verpflichtungen nach.
Der Pfarrer und Bibliothekar Alexandre Amédée Edouard Diodati (1787–1860), den Mendelssohn während seines viertägigen Aufenthalts in Genf mehrmals besucht hatte, begleitete ihn zum Dampfschiff. Um 9 Uhr morgens ging er an Bord, und bei starkem Wind liess er sich nach Vevey befördern.
Die Schifffahrt nach Vevey vertrug er offenbar nicht gut, denn im Notizbuch vermerkte er in Klammern «unwohl».
Bis zu seiner Ankunft in Vevey am 5. August sind offenbar keine Zeichnungen entstanden.
Onward journey Chamonix-Geneva-Vevey, 1 to 5 August 1831
Attempt at a transcript and translation of the notebook extracts [symbols and abbreviations written out and partly based on conjecture/assumptions].
«Monday 1 August. Bad weather. Very unwell, cold [acute Rhinitis]. To Geneva / in Char à bancs via S. Martin and Bonneville.
Tuesday morning visit Diodati not at home. Walk.. to Sécheron, / [./. further/again?] newspapers, 1 o’clock visit Diodati, Lombard, 6 o’clock Diodati tea and evening [dinner?].
Wednesday 3 …[?] to Diodati, then composing at his place. Then[?] walking / with him; talk about denominations[?]; dinner at his place Evening at[?] his[?] / brother-in-law[?] with the English wife. Visit from Dr. Lombard.
Thursday. To pt Saconex to Doxats in the rain. Dinner at Diodati’s / then work. Evening farewell at his place. Letter to parents.
Friday. 5 Morning consignment to Munich. Packing. At 9 o’clock on the steam- / boat accompanied by Diodati. In strong wind (unwell) to Vevay, / there at 4 o’clock. Walk. Evening letter to Fanny.»
In Geneva he attended to several social engagements.
The pastor and librarian Alexandre Amédée Edouard Diodati (1787-1860), whom Mendelssohn had visited several times during his four-day stay in Geneva, accompanied him to the steamboat. At 9 o’clock in the morning he went on board, and in strong winds he continued to Vevey.
He apparently did not tolerate the boat trip well, for in the notebook he noted in brackets «unwell».
No drawings appear to have been made until his arrival in Vevey on 5 August.
Upd. 09.08.2023
La Tour-de-Peilz, 6. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnab.[end] 6 Nach la Tour allein. Nach Charney über Clarens, d.[urch] die / Bäume, Quell[en?] u.[nd] Weingärten mit dem Jungen. In Charnex Frühst.[ück] / Mit Pauline nach Allière. In All.[ière] vor dem Wirthshaus 1 / Stunde. Allein nach latine beim Kirschbaum vorbey. Nach / Chateau d’Oex. Ab.[end] im Grün[en?]. Himml.[isch] frisch.»
Genau eine Woche ist verstrichen, ohne dass Mendelssohn eine Zeichnung angefertigt hat.
Nach einer Übernachtung in Vevey marschierte er alleine los und kritzelte nach anderthalb Kilometern Weg eine grobe Skizze vom Schloss von La Tour-de-Peil[z] in sein Notizbuch. Gewiss kamen bei ihm Erinnerungen an seine letzte Schweizer Reise auf, denn am 10. September 1822 kam er mit seinen Eltern und Geschwister bereits einmal hier vorbei und fertigte eine sehr viel schönere und sorgfältigere Zeichnung an. Er stand wohl etwa an der gleichen Stelle wie neun Jahre zuvor (46.45311, 6.85451).
Die sehr schwache Bleistiftskizze ist leider stark beeinträchtigt von den Tintennotizen auf der Rückseite, die durch das Papier durchdrücken. Mit Photoshop-Bearbeitung ist es mir gelungen, diese Störung stark zu reduzieren und die Bleistiftstriche mit Kontrastverstärkung besser sichtbar zu machen. Übrigens, die Original-Zeichnung, die man auf dieser Website vielleicht übergross an einem Computer-Bildschirm betrachtet, ist in Wirklichkeit gerade mal so gross wie eine moderne Kreditkarte!
Offenbar hat er in La Tour-de-Peilz einen Jungen als Träger angeheuert, der ihm sein Bündel bis nach Charney (Chernex) trug. Wenige Kilometer nach La Tour-de-Peilz, in Clarens, hat er den von 1822 vertrauten Weg nach links verlassen und in Chernex gefrühstückt. Mit der «wunderhübschen» Bäuerin Pauline ging es weiter über den Col de Jaman, ab Allière wieder alleine via La Tine nach Château-d’Oex.
La Tour-de-Peilz, 6 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Saturday 6 To la Tour alone. To Charney via Clarens, through the / trees, springs and vineyards with the boy. In Charnex breakfast / With Pauline to Allière. In Allière in front of the inn 1 / hour. Alone to latine past the cherry tree. To / Chateau d’Oex. Evening in the green. Heavenly fresh.»
Exactly one week has passed without Mendelssohn having made a drawing.
After an overnight stay in Vevey, he set off alone and, after walking a kilometre and a half, scribbled a rough sketch of the castle of La Tour-de-Peil[z] in his notebook. Certainly, memories of his last trip to Switzerland came back to him, for on 10 September 1822, he had already passed by here once with his parents and siblings and made a much more beautiful and careful drawing. He was probably standing in about the same place as nine years earlier (46.45311, 6.85451).
Unfortunately, the very faint pencil sketch is heavily marred by the ink notes on the reverse, which are pushing through the paper. By means of Photoshop editing I managed to reduce this disturbance significantly and to improve the visibility of the pencil strokes by contrast enhancement. By the way, the original drawing that you might see oversized on a computer screen on this website is actually just about the size of a modern credit card!
Apparently, he hired a boy in La Tour-de-Peilz as a porter, who carried his luggage for him to Charney (Chernex). A few kilometres after La Tour-de-Peilz, in Clarens, he left the familiar paths (1822) to the left and had breakfast in Chernex. With the «wonderfully pretty» farmer Pauline, he continued over the Col de Jaman, and from Allière alone again via La Tine to Château-d’Oex.
Upd. 01.08.2023
Gessenay (Saanen), 7. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnt.[ag] 7 nach Zweisimmen. In Rougemont gefrühstückt. / In Gessenay gezeichnet. Grauer Tag. Von Zweisimm.[en] ganz allein / im Regen nach Boltigen. Kirmes u.[nd] schl.[echtes] Wirthshaus.»
Sehr früh morgens, wohl etwa um 05:30 Uhr, wie es damals durchaus üblich war, dürfte Mendelssohn von Château-d’Oex aufgebrochen sein. In Saanen (franz. Gessenay) legte er eine Pause zum Zeichnen ein. Unweit vom Dorfkern Saanen auf der (Alten) Strasse musste er sich umgedreht und über den schönen Blick auf die Bergwelt gefreut haben. Er zückte sein Skizzenbuch und zeichnete den markanten Gipfel Le Rubli, die entfernte Dent de Corjon, welche die Dent de Jaman verdeckt.
Die Kirche präsentiert sich noch heute praktisch unverändert. Mendelssohns Standort in der Pfyffenegg (bei 46.49115, 7.26209) liegt heute auf einem Privatgrundstück und ist mit Eigenheimen verbaut. Sein Blick kann deshalb nicht mehr exakt rekonstruiert werden. Die Fotografie entstand notgedrungen von der gegenüberliegenden Strassenseite.
Mendelssohn marschierte gut 2 Kilometer nordwestlich an Gstaad vorbei, wo in unserer Zeit am weltberühmten Gstaad Menuhin Festival oft seine Musik gespielt wird!
Nach seinem Notizbuch zu schliessen hatte er vermutlich bis Zweisimmen einen Träger. Gemäss seinem Tagebuch übergab er sein Bündel dort der Post bis nach Interlaken und wanderte ab Zweisimmen im Regen mit leichtem Gepäck alleine.
«Es war ein grauer Tag, aber der Vormittag zum Gehen sehr schön kühl», schrieb Mendelssohn in sein Tagebuch. Offenbar lagen die Wolken hoch und liessen den Blick auf die Berge frei, doch sie waren die Vorboten einer sich anbahnenden Katastrophe. Mendelssohn kam nur bis Boltigen, denn das Wetter kippte: «Abends. Draussen donnert und blitzt es ganz entsetzlich, und regnet dazu mit Macht.»
Gessenay (Saanen), 7 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Sunday 7 to Zweisimmen. Breakfast in Rougemont / Drawn in Gessenay. Grey day. From Zweisimmen all alone / in the rain to Boltigen. Fair [festival, church consecration?] and bad inn.»
Very early in the morning, probably at about 05:30 hrs, as was quite common at the time, Mendelssohn set off from Château-d’Oex. In Saanen (French: Gessenay) he took a break to draw. Not far from the village centre of Saanen on the (Old) Road, he must have turned around and enjoyed the beautiful view of the mountains. He pulled out his sketchbook and drew the prominent peak Le Rubli, the distant Dent de Corjon, which hides the Dent de Jaman.
The church still presents itself practically unchanged today. Mendelssohn’s viewpoint in the Pfyffenegg (at 46.49115, 7.26209) is now on private land and is built up with homes. Its view can therefore no longer be reconstructed exactly. The photograph had to be taken from the opposite side of the road.
Mendelssohn marched some 2 kilometres northwest past Gstaad, where in our days his music is often played at the world-famous Gstaad Menuhin Festival!
According to his notebook, he probably had a porter as far as Zweisimmen. According to his diary, he handed his bundle over to the post office there as far as Interlaken and hiked alone from Zweisimmen in the rain with light luggage.
«It was a grey day, but the morning was very nice and cool for walking,» Mendelssohn wrote in his diary. Apparently, the clouds were high, affording a clear view of the mountains, but they were the forerunners of a disaster in the making. Mendelssohn only got as far as Boltigen because the weather turned: «In the evening. There is terrible thunder and lightning outside, and it is raining hard.»
Upd. 10.02.2025
Verregnete Fortsetzung von Saanen bis Interlaken (Unterseen), 7. bis 9. August 1831
Auf diesem dreitägigen Streckenabschnitt erlebte Mendelssohn fast nur Regen. Und zwar in unvorstellbaren Mengen. Die ganze Schweiz und Teile Österreichs versanken in den Fluten. Eine verheerende Katastrophe nahm ihren Lauf (siehe Kapitel Das Unwetterjahr 1831 ganz am Schluss dieses Blogs).
Bloss eine einzige Zeichnung war ihm möglich, nämlich eine Skizze, die er direkt von seinem Frühstückstisch in Weissenburg aus direkt in seinen Tagebuchbrief zeichnete (siehe nächsten Eintrag).
Neue Zürcher Zeitung, Nr. 65, Sonnabend, den 13. August 1831, Seite 259:
«Bern, den 10. August. Seit vielen Jahren war der Wasserstand der Aare nicht so gross wie gestern abend und heute, und es fehlt nicht mehr viel, so steht die untere Gegend von den Häusern an der Matte im Wasser [Stadt Bern]. Es ist dies den bedeutenden Regengüssen, welche besonders den 8. und 9. im Oberland statt gefunden haben, zuzuschreiben. Bey Wilderswil, eine Stunde von Interlaken, am Eingang ins Lauterbrunnental, trat die Luetschine so aus, dass sich viele Einwohner auf die Dächer und Bäume flüchten mussten. Ebenso traten auch andere Bäche aus, z.B. der Lombach, am oberen Ende des Thunersees. Fast die ganze Gegend zwischen beiden Seen, nicht nur bei Unterseen und der Aarmühle [Interlaken], sondern selbst am Hoehnweg und um das Schloss Interlaken herum, soll unter Wasser stehen. Heute erhielt der kleine Rath während der Sitzung durch einen vom Regierungsstatthalter (Vice-Oberamtmann) Stettler zu Interlaken express gesandten Boten detaillierte Nachrichten von dem betrübten Zustand dortiger Gegend. Der durch die Überschwemmung angerichtete Schaden ist noch gar nicht zu berechnen.»
Rainy continuation from Saanen to Interlaken (Unterseen), 7 to 9 August 1831
On this three-day leg, Mendelssohn experienced almost nothing but rain. And in unimaginable quantities, indeed! The whole of Switzerland and parts of Austria were submerged in floods. A devastating catastrophe took its course (see chapter The stormy year 1831 at the very end of this blog).
Only one drawing was possible for him, namely a sketch he drew directly into his diary letter from his breakfast table in Weissenburg (see next entry).
Neue Zuercher Zeitung, No. 65, Saturday, 13 August 1831, page 259:
«Berne, 10 August. For many years the water level of the Aare has not been as high as it was yesterday evening and today, and not much is missing, that the lower area of the houses on the Matte is in the water [city of Berne]. This is due to the considerable downpours that took place in the Oberland, especially on the 8th and 9th. Near Wilderswil, an hour from Interlaken, at the entrance to the Lauterbrunnen valley, the Luetschine burst its banks in such a way that many inhabitants had to take refuge on the roofs and trees. Other streams also spilled out, e.g. the Lombach, at the upper end of Lake Thun. Almost the entire area between the two lakes, not only near Unterseen and the Aarmuehle [Interlaken], but even along the Hoehnweg and around Interlaken Castle, is said to be under water. Today, during the meeting, the small council received detailed news of the distressed situation of the area through an express messenger sent by governor Stettler from Interlaken. The damage caused by the flooding cannot yet be calculated.»
Upd. 11.01.2025
Simmental, 8. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]
«Mont.[ag] 8. Schl.[echtes] Wetter. Nach Weissenburg zum Frühst.[ück] Im Regen / nach Erlenbach. Dort gewartet. Im Regen nach Wimmis, Durch d.[ie] / Felsen im tollsten Wetter. In Wimmis Mittagbrod. Allein im Regen / nach Spiez u.[nd] wieder zurück nach Wyler [= heutiges Spiezwiler].»
«Prost Mahlzeit! Es ist dreimal so toll. Meinen Plan heut nach Interlaken zu kommen, muss ich aufgeben, denn es ist nicht durchzukommen.» Mit diesen Worten eröffnete Mendelssohn am 8. August sein Tagebuch am Mittagstisch in Wimmis. «Seit 4 Stunden fällt das Wasser so gerade herunter, als würden die Wolken oben ausgequetscht, […] Mein Zeichenbuch musste ich unter die Weste knöpfen, denn der Regenschirm half bald nichts mehr»
Ans Zeichnen war an diesem und am darauffolgenden Tag nicht zu denken. Sein Tagebuch liest sich wie ein Abenteuerroman!
Frühmorgens war er heute von Boltigen losmarschiert und nahm im Wirtshaus «Zur Alten Post» in Weissenburg das Frühstück (46.65828, 7.47569). Während er dort auf das Ende des Starkregens wartete, las er eine französische Zeitung (Le Constitutionnel, Paris, 3. August 1831). Weissenburg besass eine gute Postverbindung mit Paris und anderswo. Nach Auskünften eines Einheimischen befand sich damals in dem noch heute stehenden Haus direkt gegenüber dem Gasthof die zugehörige Pferdewechselstelle. Wenige Schritte weiter westlich gab es auch eine Schmiede für das Beschlagen der Pferde. Die «Neueste Post Karte von Deutschland von 1820» schliesst auch die Schweiz, Teile von Frankreich und Osteuropa mit ein. Die Kreise sind Dörfer mit Poststellen. Auf der «Postkarte der schweizerischen Eidgenossenschaft 1850» ist Weissenburg mit einem Posthorn-Symbol versehen (siehe unten).
Vom Fenster seines Frühstückstisches aus zeichnete er diese Ansicht direkt in in seinen Tagebuchbrief. Sowohl das Wirtshaus wie auch das in der Zeichnung erscheinende Doktorhaus links existieren noch. Erstaunlich, dass er angesichts des miserablen Wetters im Hintergrund die Bergzacken der Mittagflue und des Trimlehore erkennen konnte und einzeichnete. Er schrieb: «Von den Bergen kam nur hie und da ein schwarzer Zacken aus den hellen Regenwolken, sie hingen heut so tief in den Thälern, wie ich es nie gesehen hatte.»
Der Regen hörte indessen nicht auf, und er musste wieder in die Nässe hinaus. Die Katastrophe war in vollem Gange und gipfelte in den Tagen darauf in einem Jahrhunderthochwasser. Er schaffte es an diesem Tag noch bis Spiez, wo er jedoch keine Unterkunft fand. Er sah sich gezwungen, wieder etwa anderthalb Kilometer nach Spiezwiler («Wyler») zurückzulaufen, wo er im Wirtshaus zum Bären logierte. Dieses wurde erst im Jahr 2004 abgebrochen und stand etwa bei 46.6854, 7.6683.
Simme Valley, 8 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Monday 8th Bad weather. To Weissenburg for breakfast. In the rain / to Erlenbach. Waited there. In the rain to Wimmis, through the / rocks in the most dreadful weather. In Wimmis lunch. Alone in the rain / to Spiez and back to Wyler [= today’s Spiezwiler].»
«Gee! It’s three times as mad. I have to give up my plan to get to Interlaken today, because there is no way to get through.» With these words (freely translated!), Mendelssohn opened his diary at the lunch table in Wimmis on 8 August. «For four hours the water has been falling so straight down, as if the clouds above were being squeezed out, […] I had to button my drawing book under my waistcoat, because the umbrella soon did not help any more,…»
Drawing was out of the question on this and the next day. His diary reads like an adventure novel!
Early in the morning he had set off from Boltigen and had breakfast at the Inn «Zur Alten Post» (old post office) in Weissenburg (46.65828, 7.47569). While waiting for the heavy rain to end, he read a French newspaper (Le Constitutionnel, Paris, 3 August 1831). Weissenburg had a good postal connection with Paris and elsewhere. According to information from a local, the associated horse-relay post was located directly opposite the inn in a house, which still stands today. A few steps further west, there was also a smithy for shoeing horses. The Latest Postal Map of Germany from 1820 also includes Switzerland, parts of France and Eastern Europe. The circles mark villages with post offices. On the Postal Map of the Swiss Confederation of 1850, Weissenburg is labelled with a post horn symbol (see crops from old maps below).
From the window of his breakfast table, he drew this view directly into his diary letter. Both, the inn and the doctor’s house, that appears in the drawing on the left, still exist. It is astonishing that in view of the miserable weather he was able to recognise the mountain peaks of the Mittagflue and the Trimlehore in the background and drew them. He wrote: «Of the mountains, only now and then a black jag came out of the bright rain clouds, they hung so low in the valleys today as I had never seen before.»
However, the rain did not stop, and he had to go out into the wetness again. The disaster was now in full swing, culminating in a flood of the century in the days that followed. That day, he made it to Spiez only, but found no accommodation there. He was forced to walk about one and a half kilometres back to Spiezwiler («Wyler»), where he stayed at the inn «zum Baeren» (bear). This inn was demolished in 2004 only and was located at about 46.6854, 7.6683.
Upd. 26.01.2025
Thunersee-Region, 9. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Dienst.[ag] 9ten. Furchtbares Wetter. Morgen gewartet. Um 8 fort. Regen. / in der Sennhütte im Heu sichs angenehm […gemacht?]. Im Regen nach / Leissingen. Dort gewartet. Sie gaben mir den Jungen mit bis zur / zerbrochnen Brücke, über die ich laufen muss. Die Leute rufen / Platz da! Dann die Bäche u. Wasserfälle. Endl.[ich] in Därlingen geht / es nicht weiter. Zu Kahn nach Neuhaus. Zu Wagen nach Inter- / laken u. zurück nach Unterseen. Essen. Ab.[end] Schreiben.»
«Heut ists noch toller. Hat die ganze Nacht durch gegossen, und giesst schon den ganzen Morgen» schrieb er am Morgen in Wyler (Spiezwiler) in sein Tagebuch. «Aus dem Spas ist bittrer Ernst geworden,» ergänzte er nach überstandenem Abenteuer am Abend in Unterseen. «Es hielt heut früh einen Augenblick mit Regen inne, und ich dachte die Wolken hätten sich erschöpft. So ging ich von Wyler weg und fand schon die Wege sehr verdorben, aber es sollte anders kommen. Der Regen fing leise wieder an, und platzte auf einmal gegen 9 mit solcher Heftigkeit los und so im Moment, dass man gleich merkte es müsse was besonders im Werke sein.» Und: «…das Wetter hat furchtbar geras’t, grossen Schaden gethan, Verwüstungen angerichtet, die Leute wissen sich keines ärgern Sturms und Regens seit vielen Jahren zu entsinnen. Und das Alles geht mit so unbegreiflicher Schnelligkeit: heut früh war noch blos unangenehm schlechtes Wetter, und heut Nachmittag sind alle Brücken fort.»
Die Zeitung Berner-Volksfreund vom 18. August 1831, berichtet in ihrer Beilage:
«Bern. Oberland den 12. Aug. (Auszug aus einem Briefe.) Die letzten Tage haben wir hier Sündfluth gehabt. Die Ströme von Oberhasli, Grindelwald u. Lauterbrunnen traten verheerend aus, Häuser und Brücken wurden fortgerissen, beinahe die ganze Thalfläche von Interlaken mit Schlamm und Wasser bedeckt. Weitere wilde Strömungen bedeckten den Höheweg. In Matten war jedes Haus eine Insel. Zu Aarmühle [Interlaken] floss die Aar über Strassen u. Brücken, in und durch die Häuser, die bestmöglichst eingedämmt wurden. Nach Lauterbrunnen kommt man nur über Grindelwald und die Wengernalp, nach Matten nur mit Mühe zu Pferd.»
Die Unwetterkatastrophe wurde in allen Zeitungen ausführlich beschrieben. Die Neue Zürcher Zeitung zum Beispiel berichtete in ihrer Ausgabe vom 17. August 1831: «Bern, den 13. August. Der ausserordentliche Wasserstand der Aare, welcher mehrere Häuser im Marzihle und an der Matte unterhalb der Mühle unter Wasser setzte, und im Oberland bedeutende Verheerungen anrichtete, muss allerdings zunächst den grossen Regengüssen zugeschrieben werden, welche die Aare schon in Oberhasli, beyde Lütschinen, die Kander (welche alle Brücken von Frutigen bis Wimmis wegschwemmte) und fast alle Wald- und Bergbäche ungewöhnlich anschwellten. Eine entferntere, aber nicht minder wesentliche Ursache liegt in dem anhaltend heftigen und warmen, mit Regen begleiteten Föhn, welcher ein ungewöhnlich schnelles Brechen und Schmelzen der Gletschermassen, besonders in dem Lauteraargletscher, dem Tschingel und den beyden Grindelwaldgletschern zur Folge hatte. In einem der letztern soll das Tosen und Krachen so gross gewesen seyn, wie sich die ältesten Leute dessen nicht entsinnen können, und Augenzeugen versichern, dass grosse Eisblöcke von der aus demselben entspringenden Lütschine durch das Dorf Matten, durch welches sie sich, bey Gsteig austretend, eine neue Bahn brach, bis in den Thunersee hinabgeschwemmt worden seyen.» Zur Erinnerung: Die Lütschine fliesst normalerweise in den Brienzersee!
Siehe auch Kapitel Das Unwetterjahr 1831 ganz am Schluss dieses Blogs.
Region of Lake Thun, 9 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Tuesday 9th. Terrible weather. Waited morning. Left at 8. Rain. / [Made?] myself comfortable in the hay in the alpine hut. In the rain to / Leissingen. Waited there. They gave me the boy to guide me to the / broken bridge over which I must walk. People shout / ‚Make way!‘ Then the streams and waterfalls. Finally in Daerlingen I cannot / go on. By boat to Neuhaus. By coach to Inter- / laken and back to Unterseen. Meal. Evening writing.»
«Today, it is even more horrible. It poured all night and has been pouring all morning,» he wrote in this diary in the morning in Wyler (Spiezwiler). «The fun has turned into bitter seriousness,» he added in the evening in Unterseen after having survived the adventure. «It stopped raining for a moment early this morning and I thought the clouds had exhausted themselves. So I left Wyler and found the paths already very muddy, but things turned out differently. The rain started again quietly, and burst around 9 o’clock with such force and so suddenly, that one realised immediately that something special must be looming.» And: «… the weather has raged terribly, caused great damage and devastation, people cannot remember a worse storm and rain for many years. And it is all happening with such incomprehensible rapidity: this morning it was just unpleasantly bad weather, and this afternoon all the bridges are gone.»
The newspaper Berner-Volksfreund of 18 August 1831, reports in its supplement:
«Berne. Oberland, 12 Aug. (Excerpt from a letter.) The last few days we have had a deluge here. The streams of Oberhasli, Grindelwald and Lauterbrunnen burst their banks devastatingly, houses and bridges were swept away, almost the whole plain of Interlaken was covered with mud and water. Further wild currents covered the Hoeheweg. In Matten, every house was an island. At Aarmuehle [Interlaken], the Aare flowed over roads and bridges, into and through the houses, which were dammed up as best as possible. One could only get to Lauterbrunnen via Grindelwald and the Wengernalp, to Matten only with difficulty on horseback.»
The storm disaster was described in detail in all the newspapers. The Neue Zuercher Zeitung, for example, reported in its issue of 17 August 1831: «Berne, 13 August. The extraordinary water level of the Aare, which flooded several houses in the Marzihle and on the Matte below the mill and caused considerable devastation in the Oberland, must first of all be attributed to the heavy downpours which caused the Aare to swell unusually in Oberhasli, both Luetschine rivers, the Kander river (that washed away all bridges from Frutigen to Wimmis) and almost all forest and mountain streams. A more distant, but no less important cause lies in the persistently violent and warm Foehn accompanied by rain, which caused the glacier masses to break and melt unusually quickly, especially in the Lauteraar glacier, the Tschingel and the two Grindelwald glaciers. In one of the latter, the roaring and crashing is said to have been so great that the oldest people cannot remember the like of it, and eyewitnesses affirm that large blocks of ice were washed down by the Luetschine river springing from it, through the village of Matten, after having broken a new path near Gsteig, and were washed down into Lake Thun.» Remember: the Luetschine normally flows into Lake Brienz!
See also the chapter The stormy year 1831 at the very end of this blog.
Upd. 12.01.2025
Unterseen, 10. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Mittw.[och] 10. Morg.[en] Ab.[end] Nach Interlaken zeichnen. Vorher auf der / Brücke zeichnen. Ab.[end] compon.[ieren].»
Diese zeitlich etwas verworrene Notiz wird im Tagebuch genauer dargestellt: «Nachmittags war ich zu Pferd in Interlaken, zu Fuss kann jetzt kein Mensch dahin, der ganze Weg steht unter Wasser, und zwar unter reissendem, tobenden, strudelnden Wasser, so dass man selbst zu Pferd ganz nass wird. […] die Brücke bei Zweilütschinen ist heruntergerissen, […], das Wasser hier steht anderthalb Fuss unter der Aarbrücke [von Unterseen].»
In seiner Zeichnung (Standort auf der alten Schalbrücke ca. bei 46.68709, 7.85064) sieht man im Vordergrund in der Aare einen Baumstamm dahintreiben, gewiss ein Beispiel für das viele von den Wassermassen fortgerissene Treibgut.
Am darauffolgenden Tag schrieb Mendelssohn ins Tagebuch: «Seit 70 Jahren hat die Aar[e] nicht so hoch gestanden; heut warteten sie mit Stangen auf der Brücke und mit Haken um die einzelnen Stücke der abgerissnen Brücke aufzufangen. Das sah nun ganz sonderbar aus, wenn so von fern aus den Bergen ein schwarzes Ding geschwommen kam, das man endlich für ein Stück Geländer, oder einen Querbalken oder dgl. erkannte; wie sie dann alle zusammenliefen, und darauf los hakten und endlich das Ungethüm aus dem Wasser holten.»
Im Hintergrund die Berge Mönch und Jungfrau, darunter der Kleine Rugen, der Bällenhöchst und die Höji Sulegg. Links unter dem Mönch ist ein Haus mit Walmdach zu sehen, von welchem im Vergleichsfoto nur ein winziger Ausschnitt bei den Pappeln knapp sichtbar ist. Es ist das noch heute erhaltene «Grosse Haus» an der Spielmatte (Aarestrasse 7), das gleich hinter der damaligen Poststelle lag (vgl. Eintrag 18. August 1842). Verschiedene Merkmale deuten darauf hin, dass es einst als Schulhaus diente. Dargestellt sind auch die frühere Brücke zur Spirholz-Insel und rechts die alte Mühle, an die nur noch das Mühlegässli erinnert. Die rechte Bildpartie mit der Schlossturmspitze muss fehlerhaft sein. In Relation zu den anderen Bildelementen müsste die Turmspitze deutlich ausserhalb des Bildes liegen.
Das etwas dunkel schraffierte Band in der Aare ist die bis in die Mitte des 19. Jhs. umstrittene Wasserschwelle, die oberhalb zu grossen Versumpfungen führte (vgl. Zeichnung 17. August 1842). Dem heutigen Interlaken Touristen präsentiert sich diese ganze Umgebung und die Wasserführung ganz anders (siehe Foto vom selben Standort).
Unterseen, 10 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Wednesday 10 Morning Evening to Interlaken to draw. Beforehand on the / bridge drawing. Evening composing.»
This somewhat confusing chronological note is presented more clearly in the diary: «In the afternoon I was in Interlaken on horseback, no one can go there on foot now, the whole road is under water, under raging, whirling water, so that even on horseback one gets completely wet.» […] the bridge of Zweiluetschinen has been torn down, […], the water here is a foot and a half below the Aar bridge [of Unterseen]».
In his drawing (location on the old Schalbruecke, bridge at 46.68709, 7.85064), a tree trunk can be seen floating in the Aare in the foreground, certainly an example of the many flotsam swept away by the water masses.
The following day, Mendelssohn wrote in his diary: «For 70 years, the Aar[e] has not been as high as this; today they were waiting with poles on the bridge and with hooks to catch the individual pieces of the torn bridge. It looked quite strange when a black thing came floating out of the mountains from afar, which one finally recognised as a piece of railing, or a crossbeam or the like; how they then all ran together and hooked at it and finally fetched the monster out of the water.»
In the background, the Moench and Jungfrau mountains, including the Kleine Rugen, the Baellenhoechst and the Hoji Sulegg. On the left below the Moench, a house with a hipped roof can be seen, of which only a tiny section is barely visible in the comparison photo near the poplars. It is the «Grosse Haus an der Spielmatte» (The Big House on Spielmatte, Aarestrasse 7), which is still standing today and was located directly behind the post office at the time (cf. entry 18 August 1842). Various features indicate that it once served as a schoolhouse. Also depicted are the former bridge to Spirholz Island and, on the right, the old mill, which is only commemorated by the alley Muehlegaessli. The section on the right of the picture with the top of the castle tower must be faulty. In relation to the other elements of the picture, the top of the tower should be clearly outside the picture.
The somewhat darkly shaded band in the Aare is the water threshold that was disputed over until the middle of the 19th century and led to major marshes above it (cf. drawing 17 August 1842). To a present-day Interlaken tourist, the whole area and the water flow present themselves quite differently (see photo from the same location).
Upd. 19.09.2024
Interlaken, 11. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Donnerst.[ag] 11. Mit Manuel dem Försterjungen auf den Harder / nach Interlaken zu Pferd, zeichn.[en]. Nachm.[ittag] Tageb.[uch] an d.[ie] Schwestern. Zu / Schmutz nach Lesecabinet. Ab.[end] comp.[onieren].»
Der Name Harder war damals wohl die gebräuchliche Bezeichnung für den Aussichtspunkt Hohbühl am Harderhang (46.69089, 7.86252). Der heute unter Harderkulm bekannte Berg wäre zu Pferd kaum erreichbar.
Die Schlosskirche, die damals als markantes Wahrzeichen in der Ebene zwischen Thuner- und Brienzersee weitherum fast alleine stand, erscheint immer wieder in Mendelssohns Zeichnungen. Ebenso übten mächtige Bäume eine magische Wirkung auf den Zeichner und Musiker aus. Man steht auf dem Höheweg (etwa bei 46.68913, 7.86461), der einstigen und heutigen Flaniermeile, und blickt nach Südsüdwesten. Links und rechts der Turmspitze erkennt man den Bällenhöchst bzw. die Höji Sulegg, rechts neben der Kirche den Kleinen Rugen. Heute ist diese Perspektive total verbaut. Rechts zwischen den Bäumen darf man das von Mendelssohn bevorzugte Hotel Interlaken vermuten, das heute noch existiert, jedoch nach Umbauten ganz anders aussieht. 1831 konnten oder wollten die Wirtsleute ihn dort nicht beherbergen – entweder gab es keinen Platz, oder aber man wies ihn wegen seiner schmutzigen Erscheinung nach dem abenteuerlichen Fussmarsch bei Sturm und Regen ab.
Fast am gleichen Punkt am Höheweg stand er schon als 13-jähriger, als er am 27. August 1822 und 30. August 1822 einen dieser mächtigen Nussbäume zeichnete.
Die Perspektive der Zeichnung lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Sowohl der Nussbaum wie auch die Klostermauerumzäunung wichen seither modernen Bauten.
Mendelssohn selbst liefert in seinen Reisetagebuchbriefen Hinweise auf ausserordentliche Atmosphärenphänomene, die im Kapitel Das Unwetterjahr 1831 ganz am Schluss dieses Blogs noch eingehender behandelt werden (siehe auch 31. August weiter unten). Tags zuvor schrieb er in Unterseen: «Abends glühten die Schneeberge heut in den klarsten Formen und in den schönsten Farben», und am 11. August: «Heut früh war ich auf dem Harder und sah die Berge in der schönsten Pracht, so klar glühend wie gestern Abend und heut früh habe ich die Jungfrau noch nie gesehen». Diese aussergewöhnliche Erscheinung wurde auch in zeitgenössischen Zeitungen eindrücklich beschrieben.
Interlaken, 11 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Thursday 11: With Manuel the boy of the forester to the Harder / to Interlaken on horseback, drawing. Afternoon diary to the sisters. Through / mud to reading cabinet. Evening composing.»
The name Harder was probably the common name for the viewpoint Hohbuehl on the slope of the Harder at that time (46.69089, 7.86252). The mountain known today as Harderkulm would hardly be accessible on horseback.
The castle church, which at that time stood almost alone as a striking landmark on the plain between the Lakes of Thun and Brienz, appears again and again in Mendelssohn’s drawings. Mighty trees also had a magical effect on the draughtsman and musician. One stands on the Hoeheweg (at about 46.68913, 7.86461), the former and current popular strolling promenade, and looks south-southwest. To the left and right of the spire, one recognises the Baellenhoechst and the Hoeji Sulegg, respectively, and to the right of the church, the Kleine Rugen. Today, this perspective is totally blocked. On the right, between the trees, one may assume the Hotel Interlaken, which Mendelssohn preferred and which still exists today, although it looks quite different after renovations. In 1831, the innkeepers could not or would not accommodate him there – either there was no room, or they turned him away because of his dirty appearance after the adventurous walk in storm and rain.
He stood almost at the same point on the Hoeheweg as a boy of 13 years, in order to draw one of these mighty walnut trees on 27 August 1822 and 30 August 1822.
The perspective of the drawing can no longer be reconstructed today. Both the walnut tree and the monastery wall fence have since given way to modern buildings.
In his travel diary letters, Mendelssohn himself provides references to extraordinary atmospheric phenomena, which are discussed in more detail in the chapter The stormy year 1831 at the very end of this blog (see also 31 August further below). The day before, he wrote in Unterseen: «In the evening today the snowy mountains glowed in the clearest forms and in the most beautiful colours», and on 11 August: «This morning I was on the Harder and saw the mountains in the most beautiful splendour, I had never seen the Jungfrau glowing as clearly as yesterday evening and this morning ever before». This extraordinary phenomenon was also impressively described in contemporary newspapers.
Upd. 05.01.2025
Unterseen, 11. August 1831
«Die Aussicht aus dem Fenster will ich Euch noch auf die Rückseite malen mit der Feder…» Gemeint ist die Aussicht aus dem Fenster seines Wirtshauses Stadthaus (ehemaliges Kaufhaus, bei 46.68676, 7.84966).
Die Zeichnung gibt Rätsel auf. Das Restaurant Stadthaus, gegründet 1818 und noch heute im Betrieb, sowie die Spitex in den Stockwerken darüber, gewährten mir für Fotos freundlicherweise Zugang zu den Räumlichkeiten an der Südseite des Gebäudes. Die Perspektive passt für die Nachbarhäuser am besten aus dem ersten Stock (Bankett-Saal des Restaurants). Allerdings sind von dort aus die Berge hinter den Nachbarhäusern verdeckt. Erst vom dritten Stock her (Spitex Büros) ragen sie genügend hoch über die Dächer empor.
In seinem Tagebuchbrief schrieb er weiter: «Hu, die Berge sind total misrathen, aber ich musste sie halb errathen, weil sie fast ganz mit Wolken bedeckt sind.» Eigentlich stimmen die meisten Erhebungen recht gut, einzig der nahe Hang des Grossen Rugen und Abendbergs (Ausläufer des Birchizand) im Mittelgrund rechts ist in der Zeichnung nicht erkennbar.
Im Tagebuchbrief liefert Mendelssohn die Namen der Berge zu den Buchstaben am oberen Rand der Zeichnung, allerdings mit etlichen Verwechslungen:
a) Grosser Eiger (früher richtig, heute Mönch)
b) Kleiner Abendberg* (Rugen, unter Mönch],
c) Jungfrau
d) Silberhörner
e) Grosser Abendberg* (richtig: Bällehöchst)
f) Anfang Schwalmern (unsichtbar, richtig: Sulegg)
*) Begriffsverwirrung: Der Kleine bzw. Grosse Abendberg kann mit dem Kleinen bzw. Grossen Rugen gleichgesetzt werden. Der Begriff Abendberg wird auf modernen Swisstopo-Karten nur im Zusammenhang mit einem Flurnamen und Gutshof verwendet. Diese Örtlichkeit liegt jedoch rechts ausserhalb der Zeichnung.
Das Schloss erhielt nach einem Brand 1855 einen neuen Dachstuhl. Im 20. Jahrhundert folgten mehrere weitere Umbauten. Der Torbogen ganz rechts verschwand.
«… Eine Stunde später – Der Plan ist geändert, und ich bleibe noch bis übermorgen, die Leute meinen die Wege würden dann merklich besser sein und zu sehen und zu zeichnen giebt es hier noch genug.» Mendelssohn verlängerte seinen Aufenthalt in Unterseen also um einen Tag.
Dem Restaurant Stadthaus und dem Spitex-Personal bin ich für die freundliche Unterstützung dankbar.
Unterseen, 11 August 1831
«I will paint the view from the window on the back with my pen for you…». What he meant is the view from the window of his Inn Stadthaus (town house, former Kaufhaus or bonded warehouse, at 46.68676, 7.84966).
The drawing poses a riddle. The Restaurant Stadthaus, founded in 1818 and still in business today, and Spitex (home care) on the floors above, kindly granted me access to the premises on the south side of the building for photographs. The perspective of the neighbouring houses fits best from the first floor (restaurant banquet room). However, from there the mountains are hidden behind the neighbouring houses. Only from the third floor (Spitex offices) do they rise sufficiently high above the roofs.
In his diary letter he went on to write: «Gee, the mountains are badly rendered, but I had to half guess them because they are almost completely covered with clouds.» Actually, most of the hills are quite accurate, only the wooded slope of the Grosse Rugen and Abendberg (foothills of Birchizand) in the middle ground on the right is not recognisable in the drawing.
In the diary letter, Mendelssohn provides the names of the mountains to the letters at the top of the drawing, but with some confusion:
a) Grosser Eiger (formerly correct, now Moench).
b) Kleiner (Lesser) Abendberg* (Rugen, below Moench],
c) Jungfrau
d) Silberhoerner
e) Grosser (Greater) Abendberg* (correct: Baellehoechst)
f) Beginning of Schwalmern (invisible, correct: Sulegg)
*) Confusion of terms: The Lesser or Greater Abendberg can be equated with the Lesser or Greater Rugen. The term Abendberg is used on modern Swisstopo maps only in connection with a field name and estate. However, this location lies outside the drawing on the right.
The castle received a new roof truss after a fire in 1855. Several more alterations followed in the 20th century. The archway on the far right disappeared.
«An hour later – The plan is changed, and I will stay until the day after tomorrow, people think the paths will be noticeably better then, and there is still plenty to see and draw here.» So Mendelssohn extended his stay in Unterseen by one day.
I am grateful to the restaurant Stadthaus and the Spitex staff for their kind support.
Upd. 05.11.2023
Goldswil, Hohbühl/Interlaken, 12. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Freitag 12 Nach Interlaken, dem rothen Thurm u.[nd] dem Bühel zu / Pferd. Nachmitt.[ag] zeichnen in Unterseen, Ab.[end] compon.[ieren] u. Tageb.[uch] schr.[eiben]»
Von den zwei am Vormittag besuchten Orte – roter Turm und Bühel – sind offenbar keine Zeichnungen bekannt. Am Nachmittag entstand gewiss die Zeichnung vom Chalet im nächsten Eintrag.
Die Bezeichnung roter Turm scheint der einheimischen Bevölkerung der Region nicht bekannt zu sein. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist der Glockenturm der Kirchenruine St. Peter auf dem Goldswilhubel gemeint (46.69658, 7.88032). Falls das zutrifft, erscheint auf den ersten, flüchtigen Blick fragwürdig, wie der Turm zu diesem Namen kam, ist er doch einfach steingrau. Eine farbskalierte Aufnahme zeigt zwar einen ganz leichten Rotüberhang, aber heute käme wohl niemand auf die Idee, den Turm deswegen als rot zu bezeichnen. Früher dürfte das jedoch anders gewesen sein. Auf einer der Informationstafeln im ansprechend gestalteten Areal ist zu lesen: «Die Fugen waren auch im Mittelalter bündig mit Kalkmörtel gefüllt (Pietra-rasa-Putz) und, wie partiell gezeigt, durch einen Kellenstrich akzentuiert. Im oberen Abschnitt waren Fugenstrich und Gewände rot gefasst.»
Schon auf seiner ersten Reise 1822 hat Felix mit der Familie die Kirchenruine auf dem Goldswilhubel besucht. Schwester Fanny schrieb in ihrem Tagebuch: «Heute früh waren wir auf einem Thurm, wo man den Thuner und Brienzer See, und noch einen kleinen, den Fuhlensee, sieht.» Sie nannte zwar keine Turmfarbe, aber ihre Beschreibung deckt sich mit diesem Ort. Gewiss wollte Felix die Erinnerung auffrischen und suchte diese Stätte mit prächtiger Aussicht 1831 erneut auf.
Mit dem Bühel ist gewiss das Hohbühl gemeint (46.69095, 7.86257), ein damals schon beliebter Aussichtspunkt mit einem Pavillon, den er elf Jahre später mit dem Schauspieler und Opernsänger Eduard Genast wieder besuchte (siehe auch Eintrag 19. August 1842).
Goldswil, Hohbuehl/Interlaken, 12 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Friday 12 To Interlaken, to the red tower and the Buehel on horseback. Afternoon drawing in Unterseen, Evening composing and writing diary.»
Apparently no drawings are known from the two places visited in the morning – red tower and Buehel. In the afternoon he certainly made the drawing of the chalet in the next entry.
The term red tower does not seem to be known to the local population of the region. It is very likely that the bell tower of the church ruins of St. Peter on the Goldswilhubel (hill) is meant (46.69658,7.88032). If this is the case, at first glance it seems questionable how the tower got its name, since it is simply stone grey. A color-scaled photo shows a very slight red overshoot, but today nobody would think of calling the tower red because of this. In the past, however, it may have been different. One of the information boards in the attractively designed area reads: «Even in the Middle Ages, the joints were flush filled with lime mortar (pietra rasa plasterwork) and, as partially shown, accentuated by a trowel line. In the upper section, the grout and the embrasures(?) were painted red.»
Felix already visited the church ruins on the Goldswilhubel on his first journey with the family in 1822. Sister Fanny wrote in her diary: «This morning we were on a tower where you can see Lakes Thun and Brienz and another small one, Lake Fuhlen.» She did not mention a colour of the tower, but her description coincides with this place. Certainly, Felix wanted to refresh this memory and visited this site with its magnificent view again in 1831.
The Buehel certainly means the Hohbuehl (46.69095, 7.86257), a vantage point with a pavilion that was already popular at the time, which he visited again eleven years later with the actor and opera singer Eduard Genast (see also the entry of 19 August 1842).
Upd. 08.09.2024
Unterseen, 12. August 1831
Wie gut doch das Chalet der Schreinerei Dietrich an der Schulhausstrasse 2, Unterseen zur Zeichnung passt! Man entdeckt nur ganz geringfügige Abweichungen. Auch nach dem Hügelzug im Hintergrund und dem Harder rechts zu schliessen, muss der Standort auf jeden Fall unweit südwestlich des «Städtli», d.h. dem Zentrum von Unterseen angenommen werden. In jenem Gebiet, das auf zeitgenössischen Karten mit «Dorf Interlaken» bezeichnet war, gibt es noch heute ein paar weitere Häuser, die vor 1831 gebaut wurden. Sie weisen teilweise ähnliche Baumerkmale auf, jedoch gibt es bei keinem von ihnen so augenfällige Übereinstimmungen mit dem Chalet in der Zeichnung.
Leider konnte ich anlässlich meiner Erkundigungen in Unterseen das Baujahr des Hauses nicht in Erfahrung bringen. Die Unterlagen des zuständigen Bauamtes reichen – wie andernorts auch – nicht so weit zurück. Laut einer telefonischen Auskunft des Eigentümers sei das Haus erst 1895 gebaut worden.
Obwohl die frühen Kartenwerke gegenüber heutigen erhebliche Verzerrungen, Verschiebungen und sonstige Ungenauigkeiten aufweisen, vermitteln sie im vorliegenden Fall doch ein zweifelsfreies Bild und zeigen an der fraglichen Stelle ein Haus. Die nachstehenden Karten wurden für diese Recherche herbeigezogen:
a) Karte von Interlaken, 18..?, (jedenfalls vor 1874 – Bau Bödelibahn, Universitätsbibliothek Basel: Kartenslg Schw Mb 41),
b) Stähli/Scheuermann, erschienen als Beilage zum Hand Atlas für Reisende in das Berner Oberland, Bern, 1816 (Universitätsbibliothek Bern, MUE H I 92),
c) Dufour-Karte (Swisstopo, 1864).
Die Übereinstimmungen sind so auffällig, dass für mich kein Zweifel besteht, dass Mendelssohn genau dieses Haus an der Schulhausstrasse 2 gezeichnet hat. Vermutlich bezieht sich das Jahr 1895 bloss auf einen Um- oder Anbau. Den Zeichnungsstandort vermute ich deshalb bei 46.68417, 7.84622.
Unterseen, 12 August 1831
How well the chalet of the Dietrich joinery at Schulhausstrasse 2, Unterseen, matches the drawing! One discovers only very slight deviations. Judging by the range of hills in the background and the Harder on the right, the location must definitely be assumed to be not far south-west of the «Staedtli» (dialect for little town), i.e. the centre of Unterseen. In the area that was labelled «Dorf [Village] Interlaken» on contemporary maps, there are a few other houses still standing today that were built before 1831. Some of them show similar features, but none of them are so strikingly similar to the chalet in the drawing.
Unfortunately, during my enquiries in Unterseen, I was unable to find out the year the house was built. As in other places, the records of the responsible building authority do not reach back that far. According to a telephone conversation with the owner, the house was only built in 1895.
Although the early maps show considerable distortions, displacements and other inaccuracies compared to today’s maps, in this case they provide an unambiguous picture and show a house at the location in question. The following maps were consulted for this research:
a) Map of Interlaken, 18..?, (in any case prior to 1874 – construction of Boedeli Railway, University Library Basel: Kartenslg Schw Mb 41),
b) Staehli/Scheuermann, published as a supplement to the «Hand Atlas für Reisende in das Berner Oberland», Berne, 1816 (University Library of Bern, MUE H I 92),
c) Dufour map (Swisstopo, 1864).
The similarities are so striking that there is no doubt in my mind that Mendelssohn drew exactly this house at Schulhausstrasse 2. Presumably the year 1895 merely refers to a conversion or extension. I therefore assume the location of the drawing to be at 46.68417, 7.84622.
Upd. 20.10.2024
Lauterbrunnen, 13. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnab.[end] Über den kl.[einen] Abendberg mit Christian Michel nach Lauter- / brunnen. Nach dem Schmadribach zu. Springang[?] hin u.[nd] her in der / Lütschine»
Zusammen mit seinem Führer Christian Michel konnte Mendelssohn Unterseen und Interlaken endlich verlassen und seine Weiterreise antreten.
In seinem Tagebuch berichtet Mendelssohn von den entsetzlichen Verwüstungen, die vom kürzlichen Unwetter angerichtet wurden: «…, wo vor 6 Tagen die schönste Fahrstrasse war, ist jetzt ein wüstes Felsengewirr, ungeheure Blöcke in Menge, kleines Geröll, Sand, keine Spur menschlicher Arbeit mehr zu sehen. Die Wasser sind zwar ganz gefallen, aber sie können sich noch immer nicht beruhigen, man hört von Zeit zu Zeit wie die Steine durch einander geworfen werden, auch die Wasserfälle rollen mitten im weissen Staub schwarze Steine herunter ins Thal. […] Ich würd nicht aufhören können, wenn ich Euch alle Formen der Verheerung erzählen wollte, die man von Unterseen bis hier sieht.» Etwas weiter unten berichtet er, dass die Lütschine die Breite des ganzen Tals eingenommen hatte. Sein Führer soll immer leise für sich gesagt haben: «s’isch furchtbar» (es ist furchtbar). Mendelssohn: «Leider konnten wir trotz aller Bemühung nicht zum Schmadribach gelangen, da alle Brücken, Wege und Stege fort sind; doch werde ich den Spaziergang nie vergessen…»
Siehe auch Kapitel Das Unwetterjahr 1831 ganz am Schluss dieses Blogs.
Das ist nach Unterseen sein letzter ausführlicher Bericht über die Unwetterschäden. Nachfolgend kein Wort mehr davon, obwohl fast alle von ihm in den kommenden Tagen noch durchwanderten Gebiete verwüstet waren! Vermutlich wollte er seine Angehörigen nicht beunruhigen.
«… ich habe auch versucht den Mönch zu zeichnen, aber wo will man mit dem kleinen Bleistift hin?» Mendelssohns Bescheidenheit ist unangebracht – seine Zeichnung ist ein bemerkenswertes, präzises und sehr detailreiches Werk! Die Bergperspektive passt am besten von einem Standort in der Nähe der heutigen Raststätte mit Feuerstellen in der Nähe von Hofstatt aus gesehen (bei 46.58241, 7.91041).
Dass Mendelssohn in der Schweiz zu einem Bergliebhaber geworden war, ist wohlbekannt. Der schwarze Mönch im Lauterbrunnental mit seinen fast senkrechten Felswänden und mit der Felsnadel namens Mönchsbüffel muss den hamburgischen und preussischen Flachländler über alle Massen beeindruckt haben: «…, alles was man sich von der Grösse und dem Schwung der Berge denkt, ist niedrig gegen die Natur.» Im Hintergrund erkennt man das Grosshorn und das Breithorn. Die Zeichnung ist sehr präzis, obwohl in der Vertikalen übersteigert, wie es in jener Zeit üblich gewesen zu sein scheint. Sogar der Schmadribach-Wasserfall, den er zusammen mit seinem Bergführer hätte erreichen wollen, lässt sich andeutungsweise erkennen (zwei parallele Bleistiftstriche unterhalb der Senke zwischen Grosshorn und Breithorn).
Mit grosser Wahrscheinlichkeit logierte er im damaligen Wirtshaus Steinbock, sicher im gleichen wie neun Jahre zuvor, denn auf dieses nimmt er im Tagebuch Bezug (siehe Eintrag 25. August 1822).
Lauterbrunnen, 13 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Saturday Over the small Abendberg with Christian Michel to Lauter- / brunnen. Towards the Schmadribach. Jumping back and forth[?] in the / Luetschine.»
Together with his guide Christian Michel, Mendelssohn was finally able to leave Unterseen and Interlaken and begin his onward journey.
In his diary, Mendelssohn reports on the terrible devastation caused by the recent storm: «… where there was the most beautiful road 6 days ago, there is now a desolate tangle of rocks, enormous boulders in quantity, small boulders, sand, no trace of human work to be seen. The waters have fallen completely, but they still cannot calm down, one can hear how the stones are tossed about from time to time, even the waterfalls roll black stones down into the valley in the midst of the white spume. […] I would not be able to stop if I meant to tell you all the forms of devastation that can be seen from Unterseen to here.». A little further below, he reports that the Luetschine had taken up the width of the entire valley. His guide is said to have always said quietly to himself: «s’isch furchtbar» (it’s terrible). Mendelssohn: «Unfortunately, despite all our efforts, we could not get to the Schmadribach, as all bridges, paths and footbridges are gone; but I will never forget the walk…»
See also the chapter The stormy year 1831 at the very end of this blog.
After Unterseen, this is his last detailed report on the storm damages. Afterwards, not a word more about it, although almost all the areas he was to hike through in the coming days were devastated! Presumably he did not want to worry his relatives.
«… I also tried to draw the Monk [mountain Schwarzmoench], but where do you want to go with that little pencil?» Mendelssohn’s modesty is misplaced – his drawing is a remarkable, precise and highly detailed work! The mountain perspective fits best as seen from a viewpoint near the present-day rest area with fireplaces near Hofstatt (at 46.58241, 7.91041).
It is well known that Mendelssohn became a mountain lover in Switzerland. The Schwarzmoench (black monk) in the Lauterbrunnen Valley with its almost vertical rock faces and with the rock needle called Moenchsbueffel must have impressed the Hamburg and Prussian lowlander beyond measure: «…, everything one thinks of the size and sweep of the mountains is low against nature.» In the background one recognises the Grosshorn and the Breithorn. The drawing is very precise, although exaggerated vertically, as seems to have been customary at the time. Even the Schmadribach waterfall, which he would have wanted to reach together with his mountain guide, can be made out vaguely (two parallel pencil strokes below the depression between Grosshorn and Breithorn).
It is highly probable that he stayed at the Steinbock inn, certainly the same one as nine years earlier, as he refers to it in his diary (see entry 25 August 1822).
Upd. 12.01.2025
Wengernalp, 14. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnt.[ag] Über d.[ie] Wengernalp. Nach Itramen. Fest. Ab.[end] Grindelwald.»
Von Lauterbrunnen stieg er mit seinem Führer nach Wengen hinauf und von dort zur Wengern Alp.
«Morgens 10 Uhr in der Sennhütte auf der Wengernalp im himmlischen Wetter, nur meinen Gruss [… abends] es fiel mir schwer von der Jungfrau wegzusehen…». Vermutlich während einer Pause hat er das Bild gezeichnet. Gewiss hat die Wegroute seither nicht geändert. Somit kann der Standort von Mendelssohns Zeichnung am heutigen Wanderweg angenommen werden; etwa bei 46.57561, 7.94546 scheint die Aussicht am besten zur Zeichnung zu passen.
Auf der grossen Alpwiese der Alp Itramen auf dem Sattel zwischen den Gipfeln Tschuggen und Männlichen fand just an diesem Tag ein Alpfest statt. Die Wandergruppe unternahm diesen ziemlich beschwerlichen Umweg, kam aber in den Genuss eines unvergesslichen, fröhlichen Festes bei Musik, Schwingen und Speis und Trank.
«Bis gegen Abend blieb ich da oben liegen und that als ob ich zu Hause wäre; drauf sprangen wir schnell in den Matten hinunter, sahen bald das wohlbekannte Wirthshaus.» schrieb Mendelssohn in sein Tagebuch und meinte damit den Bären, in welchem er schon 1822 logiert hatte.
Wengernalp, 14 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Sunday Over Wengernalp. To Itramen. Festival. Evening Grindelwald.»
From Lauterbrunnen he climbed up to Wengen with his guide and from there to the Wengern Alp.
«10 o’clock in the morning at the Sennhuette (alpine herdsman’s hut) on the Wengernalp in heavenly weather, only my greeting […in the evening] it was difficult for me to look away from the Jungfrau…». He probably drew the picture during a break. Certainly, the trail route has not changed since then. Thus, the location of Mendelssohn’s drawing can be assumed along today’s trail; at about 46.57561, 7.94546, the view seems to fit the drawing best.
On the large alpine meadow of Alp Itramen on the saddle between the peaks Tschuggen and Maennlichen, an alpine festival was taking place just on this day. The hiking group made this rather arduous detour, but enjoyed an unforgettable, cheerful celebration with music, wrestling competitions and food and drink.
«I stayed up there until the evening and felt as cosy as if at home; then we quickly jumped down on the meadows and soon saw the well-known inn,» Mendelssohn wrote in his diary, referring to the Bear inn, where he had already stayed in 1822.
Upd. ca. 03.07.2022
Grindelwald-Faulhorn-Grimsel-Furka-Hospental, 15.-18. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Mont.[ag] Morg.[en] Schl.[echtes] Wetter zeichn.[en] Ab.[end] Faulhorn im grässl.[ichen] Wetter.
Dienst.[ag] Vom Faulhorn d.[urch] d.[en] tiefen Schlamm auf d.[ie] gr.[osse] Scheideck, nach / Rosenlaui u.[nd] Meyringen über d.[en] Reichenbach. (Dirichlet u.[nd] Rich…[?]. Ab.[end])
Mittw.[och] Über Guttannen nach Handeck u.[nd] d.[ie] Grimsel im Regen.
Donnerst.[ag] Über Grimsel nach d.[em] Rhonegletscher (d.[ie] langw.[eiligen] dummen Berliner). / über d.[ie] Furka nach Realp. Im Regen nach Hospital.»
Einmal mehr erfährt der Fussreisende die Schweiz während vier Tagen auf diesem Streckenabschnitt von insgesamt über hundert Kilometer (ein Fünftel seiner ganzen Schweizer Fussstrecke!) von ihrer feuchtesten Seite. Trotz des Wetterpechs und der anstrengenden Wanderetappen fand Mendelssohn Musse und trockene Phasen für zwei Zeichnungen (Grimsel und Rhonegletscher).
«Auf dem Faulhorn, den 15 Aug. […] Hu! wie mich friert. Es schneit draussen mit Macht, stürmt und wüthet. Wir sind über 8000 Fuss über dem Meer, mussten weit über den Schnee weg, und da sitze ich nun. Sehen kann man gar nichts, das Wetter war fürchterlich heut den ganzen Tag.»
«Hospital den 18 Aug. […] Die Stellen auf die ich mich längst gewünscht, gingen an mir vorüber, ohne dass ich sie geniessen konnte; das machte mich nicht schreibelustig, da ich wirklich gegen das Wetter zu kämpfen hatte, und wenn es so fortgeht, so schreibe ich auch nur von Zeit zu Zeit, da eben nichts zu sagen ist, als ‚grauer Himmel, Nebel und Regen‘.»
Siehe auch Kapitel Das Unwetterjahr 1831 ganz am Schluss dieses Blogs.
Grindelwald-Faulhorn-Grimsel-Furka-Hospental, 15-18 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Monday morning Bad weather drawing. evening Faulhorn in atrocious weather.
Tuesday From Faulhorn through the deep mud to the grosse Scheideck, to / Rosenlaui and Meyringen over the Reichenbach. (Dirichlet and Rich…[?]. Evening)
Wednesday Via Guttannen to Handeck and the Grimsel in the rain.
Thursday Via Grimsel to the Rhone Glacier (the boring stupid Berliners). / Via the Furka to Realp. In the rain to Hospital.»
Once again, the foot traveller experiences Switzerland from its wettest side during four days on this route segment of more than a hundred kilometres in total (a fifth of his entire Swiss walking distance!). Despite the bad luck with the weather and the strenuous hiking legs, Mendelssohn found leisure and dry phases for two drawings (Grimsel and Rhone glacier).
«On the Faulhorn, 15 Aug […] Hu! how I am freezing. It is snowing outside with might, storming and raging. We are over 8000 feet above sea level, had to go a long way over the snow, and here I am. You cannot see a thing, the weather has been terrible all day today.»
«Hospital, 18 Aug. […] The places I had so longed for passed by me without me being able to enjoy them; this did not make me feel like writing, as I really had to fight against the weather, and if it continues like this, I will only write from time to time, as there is nothing to say but ‚grey sky, fog and rain‘.»
See also the chapter The stormy year 1831 at the very end of this blog.
Upd. 12.01.2025
Grimsel Hospiz, 17. August 1831
Bereits im 12. Jahrhundert entstand an dieser Stelle eine erste Herberge für Säumer und Alpinisten. Das Berghotel wurde mehrmals erweitert und umgebaut und diente gleichzeitig als Warenumschlagsplatz und als Spital. Als im aufblühenden Eisenbahnzeitalter der Strombedarf in der Schweiz stieg, wurden zwischen 1925 und 1932 die beiden Staumauern Spitallamm (West) und Seeuferegg (Ost) gebaut. Parallel dazu verlegte man einige Bausubstanz des legendären Grimselspittels auf den höher gelegenen Nollen, einen Felsrücken, auf welchem ein neues Gasthaus in ähnlichem Baustil entstand. Der Nollen erscheint in Mendelssohns Zeichnung gleich hinter dem Hospiz. 1929 verschwand die Ruine des altehrwürdigen Spittels in den Fluten des Stausees. Das 1932 eröffnete neue Grimsel Hospiz auf dem Nollen war europaweit das erste elektrisch beheizte Hotel – heute ein modern eingerichtetes Viersterne-Alpinhotel.
Die Grimselpassstrasse wurde im Vergleich zu den übrigen Alpenpässen ziemlich spät zu einer befahrbaren Strasse ausgebaut. Erst 1894 wurde sie für den Verkehr freigegeben.
Mendelssohn stand knapp 200 Meter südwestlich des alten Hospizes – etwa bei 46.56816, 8.32959 – und etwa 20 Meter unter dem heutigen maximalen Seefüllstand. Falls die Positionsangabe stimmt, stand er gemäss der Swisstopo-Landkarte von 1881 auf einer Wegabzweigung zum Aargletscher, wo es damals schon die Hugi-Hütte gab (1829, später umbenannt in «Hôtel des Neuchâtelois»). Trotz des anhaltend schlechten Wetters, das er auf der Grimsel‑ und Furka-Wanderung in Kauf nehmen musste, konnte er offenbar einige Bergspitzen ausmachen. In seiner Zeichnung erscheinen links das Schoibhoren, in der Mitte lugen zwei Zacken der Gärstenhoren und rechts ein Ausläufer des Hohhoren aus dem Gewölk hervor. Rechts vom Gasthaus der alte, natürliche Grimselsee.
Am nächsten Tag wanderte er mit seinem Führer Christian Michel über den Grimselpass, die Maienwand (Meienwang) hinunter nach Gletsch und um den Rhonegletscher Richtung Furkapass.
Grimsel Hospice, 17 August 1831
As early as the 12th century, a first hostel for muleteers and alpinists was built on this site. The mountain hotel was extended and rebuilt several times and served as a warehouse and hospital at the same time. As the demand for electricity in Switzerland increased in the upcoming railway age, the two dams Spitallamm (West) and Seeuferegg (East) were built between 1925 and 1932. At the same time, some of the building fabric of the legendary Grimsel Spittel (hospice) were moved to the somewhat more elevated Nollen, a rocky ridge on which a new inn was built in a similar architectural style. The Nollen hill appears in Mendelssohn’s drawing just behind the hospice. In 1929, the ruins of the venerable Spittel disappeared into the rising waters of the reservoir. The new Grimsel Hospice on the Nollen hill, opened in 1932, was the first electrically heated hotel in Europe – today a modern four-star alpine hotel.
Compared to the other Alpine passes, the Grimsel Pass road was developed into a passable road rather late. It was not opened to traffic until 1894.
Mendelssohn stood just under 200 metres southwest of the old hospice – at about 46.56816, 8.32959 – and some 20 metres below today’s maximum reservoir level. If the position is correct, according to the Swisstopo map of 1881, he stood on a branch-off path to the Aar Glacier, where the Hugi hut already existed at the time (1829, later renamed «Hôtel des Neuchâtelois»). Despite the persistently bad weather he had to put up with on the Grimsel and Furka hike, he was apparently able to make out some mountain peaks. In his drawing, the Schoibhoren appears on the left, two peaks of the Gaerstenhoren in the centre and a foothill of the Hohhoren on the right peeking out of the clouds. To the right of the inn is the old, natural Grimsel Lake.
The next day, he and his guide Christian Michel hiked over the Grimsel Pass, down the Maienwand (Meienwang) to Gletsch and around the Rhone Glacier towards the Furka Pass.
Upd. 08.10.2024
Rhonegletscher, 18. August 1831
«Der Rhonegletscher ist der gewaltigste, den ich kenne, und die Sonne schien gerade heut früh, als wir dran vorbeykamen», schrieb Mendelssohn in sein Tagebuch. Das Sonnenglück dürfte ihm nicht lange beschieden gewesen sein, denn wie in den vorigen Einträgen ersichtlich, hatte er in diesen Tagen fast nur schlechtes Wetter. Auch Zeit und Musse werden ihm an diesem beschwerlichen Wandertag nicht allzu viel zur Verfügung gestanden haben. Fast vierzig Wanderkilometer waren in etwa neun Stunden vom Grimsel Hospiz bis Hospental zu bewältigen!
Offenbar hat er vor Ort nur eine grobe Skizze vom Rhonegletscher aufgenommen. Gemäss seiner ausdrücklichen Äusserung im Tagebuch vollendete er nämlich diese Zeichnung erst etwa zwei Wochen später, am Abend des 3. September 1831, in Sargans. Ein sehr klarer Hinweis darauf, dass er das bei vielen anderen seiner Werke gleich tat.
Mendelssohn: «… und das unheimliche Vorrücken – sie [die Gletscher] sind zuweilen 1½ Fuss des Tags vorwärts gegangen, so dass den Leuten im Dorfe angst und bange wurde wie der Gletscher so ruhig ankam und so unwiderstehlich, denn er drückt dann Steine und Felsen entzwei, wenn sie ihm in dem Wege liegen». Die Wende und der Rückzug trat etwa Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Aber noch bis in die 1870er Jahre reichte die Zunge des Rhonegletschers bis in die Talebene von Gletsch, weniger als einen Kilometer vor die kleine Siedlung Gletsch im Obergoms hinunter. Heute ist vom Tal her vom Gletscher nichts mehr zu sehen.
Die Druckgrafik VUE DU GLACIER DU RHONE von Johann Ludwig Bleuler zeigt den Rhonegletscher ungefähr Mitte des 19. Jahrhunderts (ca. ab 1837), jedoch aus einer ganz anderen Perspektive. Während Mendelssohns Zeichnung den Blick von einem vermuteten ungefähren Standort bei 46.56399, 8.37579 nach Norden zum Vorder Gärstenhorn darstellt, blickt man in Bleulers Druckgrafik etwa von 46.56248, 8.35843 über Gletsch nach Nordosten zu den Furkahörnern.
Rhone Glacier, 18 August 1831
«The Rhone Glacier is the most enormous I know, and the sun was shining this morning just as we passed it,» Mendelssohn wrote in his diary. The sun’s good fortune must not have been his for long, for as we can see from the previous entries, he had almost nothing but bad weather these days. Nor will he have had much time and leisure on this arduous day of hiking. Almost forty kilometres of hiking had to be done in about nine hours from the Grimsel Hospiz to Hospental!
Apparently, he only made a rough sketch of the Rhone Glacier on the spot. According to his explicit statement in the diary, he did not complete this drawing until about two weeks later, on the evening of 3 September 1831, in Sargans. This is a very clear indication that he did it likewise for many of his other works.
Mendelssohn: «… and the scary progress – they [the glaciers] sometimes advanced 1½ feet per day, so that the people in the village became frightened and anxious as the glacier arrived so quietly and so irresistibly, for it then crushes stones and rocks in two when they lie in its path». The turning point and the retreat occurred around the middle of the 19th century. But until the 1870s, the tongue of the Rhone glacier still reached down to the valley floor of Gletsch, less than a kilometre from the small settlement of Gletsch in Obergoms. Today, nothing can be seen of the glacier from the valley.
The print VUE DU GLACIER DU RHONE by Johann Ludwig Bleuler shows the Rhone glacier around the middle of the 19th century (ca. from 1837), but from a completely different perspective. While Mendelssohn’s drawing shows the view from a presumed approximate location at 46.564, 8.3758 to the north towards the Vorder Gaerstenhorn, Bleuler’s print looks north-east from about 46.56248, 8.35843 over Gletsch towards the Furkahoerner.
Upd. ca. 03.07.2022
Furka, 18. August 1831
Diese winzige Skizze vom Finsteraarhorn von 8.9 x 3.2 cm hat Mendelssohn gewiss am Abend aus reiner Erinnerung direkt in den Tagebuchbrief gekritzelt. Eingeprägt hat er sich das Aussehen der paar Gipfel irgendwo auf dem Anstieg (z.B. bei 46.57016, 8.41121) zur Furkapasshöhe.
Abschrift des Textes im Tagebuchbriefausschnitt: «…der grossen Scheideck, im Grimselspital, bin heute über Grimsel und Furka gekommen, und was ich am meisten gesehn habe, sind die schabigen Ecken meines Regenschirms, die grossen Berge fast gar nicht. Einmal kam heut das Finsteraarhorn heraus: // aber es sah so böse aus, als wolle es einen fressen. Und doch, // wenn eine halbe Stunde ohne Regen war, so war es gar zu schön. // Die Fussreise durch dies Land ist wirklich selbst bei so ungünstigem Wetter, das reizendste was man sich nur denken kann, bei heiterm Himmel muss es vor Vergnügen gar nicht auszuhalten sein. Drum darf ich mich auch nicht …[übers Wetter beklagen,…]»
Nach einer Übernachtung in Hospital (Hospental) wanderte er bei sehr schönem Wetter nach Flüelen – die mit 42 km längste Tagesetappe, die zwar grösstenteils bergab führt.
Furka, 18 August 1831
Mendelssohn certainly scribbled this tiny sketch of the Finsteraarhorn measuring 8.9 x 3.2 cm only directly into the diary letter out of pure memory in the evening. He memorised the appearance of the few peaks somewhere on the climb (for example at 46.57016, 8.41121) to the Furka Pass summit.
Translation of the text in the image section of the diary letter: «…the Grosse Scheideck, in the Grimsel hospital, came over Grimsel and Furka today, and what I saw the most were the shabby corners of my umbrella, the big mountains almost not at all. Once today, the Finsteraarhorn came out: // but it looked so evil, as if it wanted to devour you. And yet, // when there was half an hour without rain, it was too beautiful. // The journey on foot through this country is really the most delightful thing imaginable even in such inclement weather; in clear skies it must be unbearable with sheer pleasure. Therefore, I must not …[complain about the weather,…]»
After an overnight stay in Hospital (Hospental), he hiked in very nice weather to Fluelen – the longest daily leg at 42 km, although it is mostly downhill.
Upd. 20.03.2025
Hospental-Flüelen, 19. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Freit.[ag] Morg.[en] Wünsch begegnet. Hinunter nach Amstäg u.[nd] Ab.[end] Flüelen.»
Im Tagebuch freute er sich über eine unerwartete Begegnung mit alten Bekannten in Hospental: «Heut früh als wir in bitterer Kälte fortgehn, wankt von fern aus Andermatt eine Caravane uns entgegen. Erst sah ich einige junge Männer in Staubmänteln und rothen Nasen, dann ein Paar zu Pferde, dann eine Dame zu Pferde, hinten nach kam der Oberlandsgerichtsrath Wünsch.»
Die erst ein Jahr zuvor eingeweihte neue Gotthardstrasse hat Mendelssohn mächtig beeindruckt: «… , und wenn auch die neue Teufelsbrücke wenig poetisch ist, so geht man dafür den ganzen Tag lustig bergab auf der ebensten Strasse, fliegt ordentlich bei den Gegenden vorüber, und statt vom Wasserfalle auf der Brücke besprützt und vom Winde gefährdet zu werden, geht man jetzt hoch über dem Strom und zwischen festen Mauergeländern sicher hinüber.» (Teufelsbrücke bei 46.64736, 8.59029)
Mit etwa 42 km war der Fussmarsch von Hospental nach Flüelen die längste Tagesetappe seiner Fussreise durch die Schweiz. Wenige Kilometer vor Ankunft am Urnersee, in Altdorf «…ruhten wir uns oben auf dem Kapuzinerkloster aus, wohin mich Vater einmal spazieren führte [in 1822] und mir zu meinem Schrecken erzählte, ein Kapuziner dürfe seine Kutte nie ausziehn.» (Kapuzinerkloster bei 46.88431, 8.64391)
Zeichnungen sind von diesem Tag offenbar keine bekannt.
Hospental-Fluelen, 19 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Friday morning met Wuensch. Down to Amstaeg and evening Fluelen.»
In his diary, he expressed his joy about an unexpected encounter with old acquaintances in Hospental: «This morning, as we were leaving in the bitter cold, a caravan staggered towards us from Andermatt. First I saw some young men in dust coats and red noses, then a couple on horseback, then a lady on horseback, followed by the regional court judge Wuensch.»
The new Gotthard Road, which had been inaugurated only a year earlier, made a mighty impression on Mendelssohn: «… and even if the new Devil’s Bridge is not very poetic, one walks downhill all day on the most even road, flies [sic] past the areas in orderly fashion, and instead of being splashed by the waterfall on the bridge and endangered by the wind, one now walks safely across high above the stream and between solid wall railings.» (Devil’s Bridge at 46.64736, 8.59029)
At around 42 kilometres, the walk from Hospental to Fluelen was the longest day’s leg of his foot journey through Switzerland. A few kilometres before arriving at Lake Uri, in Altdorf, «…we rested at the Capuchin monastery, where my father once took me for a walk [in 1822] and told me to my horror that a Capuchin was never allowed to take off his habit.» (Capuchin monastery at 46.88431, 8.64391)
There are apparently no known drawings from that day.
Upd. 21.08.2024
Vierwaldstättersee, 20. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnab.[end] 20. Über den 4 Waldstätter See im Regen nach Luzern. Briefe / von Hauser. Nach Sarnen im Regen. Schöne Wiesen»
Nach seiner Reise von Flüelen per Boot holte er auf der Post in Luzern Briefe und reiste weiter bis Sarnen. Auf welche Weise, erfahren wir leider nicht – vermutlich zu Fuss und möglicherweise teils per Boot. Am Abend schrieb er in sein Tagebuch: «Heut früh fuhr ich während fortdauerndem Regen über den Vierwaldstättersee, […] Es wird mir aber schwer werden, Abschied zu nehmen, das Land ist über alle Begriffe schön, und obwohl das Wetter wieder entsetzlich ist, Regen und Sturm den ganzen Tag und die Nacht durch, so waren doch die Tellsplatte, das Grütli, Brunnen und Schwyz, und heut Abend die blendend grünen Wiesen in Unterwalden unvergesslich schön.»
Wahrscheinlich hat Mendelssohn diese Notenzeilen während der Überfahrt von Flüelen nach Luzern im Boot in sein Reise-Notizbuch niedergeschrieben (Mitte Vierwaldstättersee 46.99655, 8.46817). Höchstwahrscheinlich war er noch immer in Begleitung seines Bergführers Christian Michel, der dieses Lied während der Reise mehrmals gesungen hat. Man bedenke, dass diese Notizbuchseite im Original nur die Grösse einer modernen Kreditkarte aufweist!
Die Notenzeilen sind mit dem Vermerk «Auf dem Vierwaldstätter See (vom Führer Michel)» überschrieben. Dabei handelt es sich jedoch weder um den Titel des Lieds noch um den Namen des Urhebers, sondern einfach um eine Notiz.
Auf seiner dritten Reise elf Jahre später traf er Michel wieder. «Er trug mir die Worte nach zu dem Liede aus G-Dur, das er damals [1831] immer sang und dessen Melodie ich behalten, mich aber immer um die Verse gequält hatte.» Nach seiner Rückkehr übertrug Mendelssohn das Lied mit etlichen Veränderungen und die Verse auf ein Albumblatt, das er mit dem 29. September 1842 datierte.
Gemäss dem Aufsatz «Dieses einzige Stückchen Welt» von Rudolf Grumbacher und Albi Rosenthal im Buch Mendelssohn-Studien, Band 5 (1982), über das oben erwähnte Albumblatt handelt es sich um einen Schweizer «Geissreihen» (franz. «ranz des chèvres»), ein Jodellied für Ziegenhirten. Der Text stammt vom Pfarrer Gottlieb Jakob Kuhn (1775-1849), der das Lied in dem 1811 von ihm begründeten volkskundlichen Almanach «Alpenrosen» aufnahm.
Song Version 1831 in MP3 format
Song Version 1842 in MP3 format
Lake Lucerne, 20 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Saturday 20. Across the 4 Waldstaetter See [Lake Lucerne] in the rain to Lucerne. Letters / from Hauser. To Sarnen in the rain. Beautiful meadows»
After his journey from Fluelen by boat, he collected letters at the post office in Lucerne and travelled on to Sarnen. Unfortunately, we do not learn how he covered this leg – presumably on foot and possibly partly by boat. In the evening he wrote in his diary: «This morning I travelled across Lake Lucerne during the persistent rain, […] But it will be difficult for me to say goodbye, the country is beautiful beyond all comprehension, and although the weather is dreadful again, rain and storm all day and night, the Tells Plateau, the Gruetli, Brunnen and Schwyz, and tonight the dazzling green meadows in Unterwalden were unforgettably beautiful.»
Mendelssohn probably wrote these lines of music down in his travel notebook during the crossing from Fluelen to Lucerne in the boat (middle of Lake Lucerne 46.99655, 8.46817). Most likely he was still accompanied by his mountain guide Christian Michel, who sang this song several times during the journey. Consider that this notebook page is only the size of a modern credit card in the original!
The lines of music are headed with the note «On Lake Lucerne (by guide Michel)». However, this is neither the title of the song nor the name of the author, but simply a note.
On his third journey eleven years later, he met Michel again. «He told me the words to the song in G major, which he used to sing at the time [1831] and whose melody I had memorised but always struggled to find the verses.» After his return, Mendelssohn transferred the song with a number of changes and the verses to an album page, which he dated 29 September 1842.
According to the essay «Dieses einzig Stückchen Welt» (This unique piece of world) by Rudolf Grumbacher and Albi Rosenthal in the book «Mendelssohn-Studien», Volume 5 (1982), about the album leaf mentioned above, it is a Swiss goatherd’s folk song (French: «ranz des chèvres»), a yodelling song for goatherds. The text was written by the pastor Gottlieb Jakob Kuhn (1775-1849), who included the song in the folkloristic almanac «Alpenrosen», which he founded in 1811.
Free translation of the lyrics:
1
Hooray! I am the goatherd boy / My little horn and my little shepherd’s crook / I am not tired of them yet; / In my little knapsack I have cheese and bread. / My hair is frizzy, and my cheeks are red, / My heart is full of joy and delight. La…(yodel).
6. And if I had a few thousand pounds, / I would not throw them into the glacier’s bottom! / I would go straight to my Eisi [nickname of Elisabeth], / «Look, darling, what have I got here? / I am a rich man, eh?» / She would certainly take me, I know that.
Upd. 01.08.2023
Lungernsee vom Brünig, 21. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Sonnt.[ag] 21. Über Lungern u.[nd] den Brünig nach Meyringen.»
Vermutlich immer noch in Begleitung seines Führers Christian Michel wanderte Mendelssohn talaufwärts, dem Sarner- und Lungernsee entlang und über den Brünig Pass. Eine befahrbare Strasse gab es damals nur bis Lungern, so musste er über den Brünig nach Meiringen Saumpfade benutzt haben.
Mendelssohn: «Namentlich ist das Grün in Unterwalden schöner, als in irgend einem andern Canton, und es ist auch unter den Schweizern seiner Matten wegen berühmt. Schon die Reise von Sarnen aus, war reizend und fortwährend habe ich es bedauert, dass Du, lieber Vater, nicht über den Brünig gegangen bist, es würde Dein Lieblingspunct geworden sein, […], auf der einen Seite der Blick auf Unterwalden mit seinen grünen Wiesen, dann nach ein Paar Minuten das grosse Haslithal mit den Schneebergen und den Wasserfällen von den Felswänden, …»
Diesen Blick zurück auf Unterwalden hat er in einer Zeichnung eingefangen. Die Landschaftsmerkmale sind nicht ganz eindeutig erkennbar oder mit einer Landkarte in Übereinstimmung zu bringen. Vieles ist von Bäumen verdeckt. Der Hügel links oben unter einem Ast ist wahrscheinlich der Ankenhubel. Einzig von der etwas schräg nach links verlaufenden Längsachse des vage gezeichneten Lungernsees lässt sich ableiten, dass Mendelssohn deutlich östlich von dieser Achse gestanden haben musste, was auf den Aussichtspunkt bei der heutigen Burgkapelle schliessen lässt (bei 46.77485, 8.15576). Die Kapelle wurde jedoch erst 1883 erbaut.
Als er im Jahr 1847 mit seinen Söhnen zu Pferde nochmals hier vorbeikam, dürfte er sich über den stark geschrumpften Lungernsee gewundert haben. Über ein Stollenwerk am Nordende des Sees wurde 1835 der Seespiegel um etwa 35 m abgesenkt, um urbaren Boden für die Landwirtschaft zu gewinnen.
Lake Lungern from Bruenig, 21 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Sunday 21st Via Lungern and the Bruenig to Meyringen.»
Probably still accompanied by his guide Christian Michel, Mendelssohn hiked up the Sarnen Valley, along the Lakes of Sarnen and Lungern and over the Bruenig Pass. At that time there was a passable road as far as Lungern only, so he must have used mule tracks over the Bruenig to Meiringen.
Mendelssohn: «In particular, the greenery in Unterwalden is more beautiful than in any other canton, and even among the Swiss it is famous for its meadows. The journey from Sarnen was already delightful and I have always regretted that you, dear father, did not go over the Bruenig, it would have become your favourite point, […], on the one side the view of Unterwalden with its green meadows, then after a few minutes the great Hasli Valley with the snow mountains and the waterfalls from the rock faces, …»
He captured this view looking back into the valley of Unterwalden in a drawing. The landscape features are not quite clearly recognisable or consistent with a map. Much is obscured by trees. The hill at the top left under a branch is probably the Ankenhubel (butter hill). Only the orientation of the vaguely drawn Lake of Lungern, running somewhat obliquely to the left, suggests that Mendelssohn must have been standing well to the east of this axis, which suggests the vantage point at the present Burgkapelle (castle chapel, at 46.77485, 8.15576). However, the chapel was not built until 1883.
When he passed by here again on horseback with his sons in 1847, he may have been surprised at the greatly shrunken Lake Lungern. In 1835, the level of the lake was lowered by about 35 metres by means of a tunnel system at the northern end of the lake in order to gain arable land for agriculture.
Upd. 06.09.2023
Meiringen - Engelberg, 22. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Mont.[ag] 22. Schön Wetter nach dem Genthelthal [au]f dem Fussweg bis Engstlen. / Schl.[echtes] Wetter übers Joch nach Engelberg. Nettes Wirthsh.[aus]. W.[ilhelm] Tell.»
Mangels einer Zeichnung von diesem Tag müssen wir uns mit Mendelssohns Beschreibung in seinem Tagebuch begnügen: «Seit Unterseeen hatte ich keinen Ruhetag gemacht und wollte daher einen Tag in Meyringen bleiben, liess mich aber durch das schöne Wetter des Morgens verlocken hieher [Engelberg] zu gehen […] Das Genthelthal, voll Wiesen und Wasserfällen ist sehr schön und still, aber auf dem Joch überfiel uns wieder das schreckliche Wetter, wir mussten wieder durch den Schnee, und die Partie wurde ein Paarmal unangenehm. Doch kamen wir bald aus Regen und Schnee heraus und da gab es einen himmlischen Moment, als sich die Wolken hoben und wir noch darin standen und weit unter uns wie durch einen schwarzen Schleier das grüne Engelberger Thal durch die Nebel erscheinen sahen.»
Meiringen - Engelberg, 22 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Monday 22. nice weather to Genthelthal on the footpath to Engstlen. / Bad weather over the Joch to Engelberg. Nice inn. Wilhelm Tell.»
In the absence of a drawing of this day, we must content ourselves with Mendelssohn’s description in his diary: «Since Unterseeen I had not taken a day’s rest and therefore wanted to stay a day in Meyringen, but let myself be tempted by the beautiful weather of the morning to come here [Engelberg, …] The Genthel valley, full of meadows and waterfalls is very beautiful and quiet, but on the Joch the terrible weather overtook us again, we had to go through the snow again, and the hike became unpleasant a couple of times. But we soon got out of the rain and snow and there was a heavenly moment when the clouds lifted and we were still standing in them and far below us, as if through a black veil, we saw the green Engelberg valley appear through the mists.»
Upd. 02.08.2023
Engelberg, 23. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Dienst.[ag] 23 W.[ilhelm] Tell, Orgel. Tagebuch schr.[eiben]. Nachmitt.[ag] um ½5 Orgel. comp.[onieren]»
«Wenn ich in meinem Bett liege, habe ich folgende Aussicht,» schrieb Mendelssohn in seinen Tagebuchbrief, wendete das Blatt und zeichnete den Blick aus seinem Wirtshauszimmer auf das Kloster Engelberg zuoberst auf die Briefseite. «Hier sind nun wieder die Gebäude misrathen und auch die Berge…»
Wie so oft erwähnt unser Reisender das Wirtshaus nicht namentlich. Zeitgenössische Reiseführer erwähnen meistens nur ein oder zwei Gasthäuser, den Engel und das Rössli (Murray, Baedeker). Der Engel, die Klosterschänke, befand sich ziemlich nahe beim Kloster und kommt deshalb für die von Mendelssohn gezeichnete Skizze nicht in Frage. Da bleibt nur noch das Rössli, das aber nicht mehr existiert.
Nach meinen eigenen Berechnungen, die auch gut mit jenen von anderen Autoren übereinstimmen, muss sich das Rössli unweit südlich der heutigen Liegenschaften Dorfstrasse 17 und 19 befunden haben (46.82106, 8.40553).
Dass ihm die Gebäude und die Berge in der Zeichnung missraten seien, könnte die Genauigkeit jeglicher Standortbestimmungen beeinträchtigen. Mendelssohns Zeichnung scheint nämlich der einzige historische Hinweis auf den Standort des Rössli zu sein. «…aber ich denke es Euch in meinem Buche besser zu zeigen, wenn morgen erträgliches Wetter ist. […] noch hab’ ich die Berge nicht gesehen…» fuhr er fort. Mit dem Buch hat er sein Skizzenbuch gemeint (siehe Zeichnung d.3, fol. 35 weiter unten, die er aber von einem anderen Standort gemacht hat). Wenn er wegen des bedeckten Himmels am 23. August die Berge nicht sehen konnte, wie war es ihm dann möglich, die Briefskizze anzufertigen? Erst am darauf folgenden Tag hatte er heiteres Wetter mit blauem Himmel.
Der vermutete Standort des Rössli ist heute total verbaut und gewährt keinen Blick mehr zum Kloster. Mendelssohn rühmt es als «… das netteste Wirthshaus, das man sich denken kann: reinlich, ordentlich, sehr klein und bäuerisch, ein alter weisshaariger Wirth, das hölzerne Haus steht abwärts vom Wege auf einer Wiese allein, die Leute sind so freundlich und doch gemächlich, als ob man zu Hause wäre…»
Engelberg, 23 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Tuesday 23 William Tell, organ. Writing diary. Afternoon at ½5 organ. Composing.»
«When I lie in my bed, I have the following view,» Mendelssohn wrote in his diary letter, turned over the page and drew the view from his inn room to the Engelberg monastery at the top of the letter page. «Here again the buildings turned out badly and also the mountains…»
As is so often the case, our traveller does not mention the inn by name. Contemporary travel guides usually mention only one or two inns, the Engel and the Roessli (Murray, Baedeker). The Engel (angel), the monastery tavern, was quite close to the monastery and is therefore out of the question for the sketch drawn by Mendelssohn. This leaves only the Roessli (little horse), which no longer exists.
According to my own calculations, which also agree well with those of other authors, the Roessli must have been situated not far south of the present properties Dorfstrasse 17 and 19 (46.82106, 8.40553).
However, the fact that he claims the buildings and the mountains to be out of place in the drawing, may affect the accuracy of all the determination of the location. Mendelssohn’s drawing seems to be the only historical evidence of the location of the Roessli. «…but I hope I can show it better to show you in my book, if the weather is tolerable tomorrow. […] I have not yet seen the mountains…» he continued. By the book he meant his sketchbook (see drawing d.3, fol. 35 further below, which, however, he made from a different viewpoint). If he could not see the mountains on 23 August because of the overcast sky, how was it possible to draw the sketch? It was not until the following day that he had clear weather with blue skies.
Today, the assumed site of the Roessli is totally obstructed and no longer affords a view of the monastery. Mendelssohn praises it as «… the nicest inn one can imagine: clean, tidy, very small and rustic, an old white-haired innkeeper, the wooden house stands alone on a meadow downhill from the road, the people are so friendly and yet leisurely, as if one were at home…»
Upd. 01.06.2025
Engelberg, 24. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Mittw.[och] Festtag. Morg.[en] zeichnen. dann Orgel zum Gottesdienst. Zeichnen u.[nd] / Orgel Nachmitt.[ag] (Phant.[asieren] …?) Spazieren. Bibliothek des Klosters. d.[ie] Jungfrau / v.[on] Orléans.»
Wann genau und wo Mendelssohn das Aquarell angefertigt hat, ist nicht bekannt. Bestimmt erst zu Hause und einige Zeit nach seiner zweiten Schweizer Reise 1831. Als Vorlage für das Aquarell nutzte er ganz offensichtlich die Zeichnung vom 24. August 1831 aus seinem Skizzenbuch, das er auf seiner Fussreise mit sich trug. Im Aquarell erscheint die Ansicht etwa 10 Prozent kleiner als in der Zeichnung. Er kann sie also nicht durchgepaust und musste sie von Auge übertragen haben. Im Aquarell hat er noch einige Vordergrundelemente hineinfantasiert (Ziegen, Mönch, Bauer, Brunnen). Die Beleuchtungsgeometrie ist im Aquarell zwar ziemlich konsistent dargestellt, jedoch ist der Lichteinfall der Sonne astronomisch unmöglich.
Abgesehen vom Kloster scheinen keine baulichen Überreste von den von Mendelssohn gezeichneten Häusern mehr zu bestehen. Das Dorf Engelberg wurde seither gründlich erneuert. Von allen seinen Zeichnungsstandorten hat man heute keine Sicht mehr zum Kloster.
Die Optimierung der Standlinien auf Grund seiner Originalzeichnung, die bestimmt präziser ist als das Aquarell, ergibt einen Standort in der Nähe der heutigen Liegenschaft Büel 1 (bei 46.82187, 8.40524). Die zahlreichen neuen Häuser versperren jedoch die Sicht und verunmöglichen eine genauere Überprüfung.
Im linken Drittel erkennt man ein seitlich offenes Gebäude mit schräger Dachstütze. Die etwas weiter rechts herumliegenden Baumstämme deuten darauf hin, dass es sich um eine Sägerei handelte (S). Dasselbe Gebäude erscheint auch auf der Zeichnung vom 25. August, jedoch aus der entgegengesetzten Richtung.
Das etwas schräg zur Sichtlinie liegende Haus, dessen rechtes Giebelende direkt unter dem Klosterkirchturm liegt, ist das heutige Talmuseum (T). Mendelssohns Wirtshaus (Rössli) befand sich rechts von ihm (ausserhalb des Bildes). Vier weitere Häuser (A-D) scheinen dieselben zu sein, die auch in der übernächsten Zeichnung vorkommen.
Das in diesem Blog gezeigte Aquarell wurde vom Webdesigner digital bearbeitet. Erläuterungen darüber findet man in der Einleitung auf der Unterseite über die Reise 1847.
Engelberg, 24 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Wednesday Holiday. morning drawing. then organ at the church service. Drawing and / organ afternoon (fantasizing …?) Walking. Library of the monastery. the Virgin / of Orleans.»
When exactly and where Mendelssohn made the watercolour is not known. It was certainly not until some time after his second trip to Switzerland in 1831 at home. As a model for the watercolour, he quite obviously used the drawing of 24 August 1831 from his sketchbook, which he carried with him on his journey on foot. In the watercolour, the view appears some 10 percent smaller than in the drawing. Therefore, he could not have traced it and had to have copied it by eye. He fancied some foreground elements into the watercolour (goats, monk, farmer, fountain) and then coloured it. The geometry of the illumination is shown quite consistently in the watercolour, but the incidence of light from the sun is astronomically impossible.
Apart from the monastery, there no longer appear to be any structural remains of the houses that Mendelssohn drew. The village of Engelberg has been thoroughly renewed since then. Today, there is no view of the monastery from any of the locations from where he sketched.
The optimisation of the position lines on the basis of his original drawing, which is certainly more precise than the watercolour, results in a location near the present property Buel 1 (at 46.82187, 8.40524). However, the numerous new houses block the view and make a more precise examination impossible.
In the left third one can see a building open at the sides with a sloping roof support. The tree trunks lying around a little further to the right suggest that it was a sawmill (S). The same building also appears in the drawing of 25 August, but from the opposite direction.
The house, which lies at a slight angle to the line of sight and whose right-hand gable end lies directly below the monastery church tower, is today’s Talmuseum (folk museum, T). Mendelssohn’s inn (Roessli) was located on his right (outside the picture). Four other houses (A-D) seem to be the same that appear also in the drawing after the next .
The watercolour shown in this blog was digitally edited by the web designer. Explanations can be found in the introduction on the subpage about the 1847 voyage.
Upd. 01.06.2025
Engelberg, 24. August 1831
Am Vortag, 23. August schrieb Mendelssohn: «… ich will nachher ins Kloster hinüber, und mich an der Orgel etwas austoben.» Die zwei Tage in Engelberg nutzte er als Ruhetage zum Musizieren, Zeichnen, Ausschlafen und Lesen (die zwei Schiller-Werke Willhelm Tell und Die Jungfrau von Orléans).
Im Freien verpasste er am 23. August nicht viel – die Berge waren in Wolken verhüllt. Nicht so tags darauf, am 24. August: «Das war wieder ein Tag! Das herrlichste, heiterste Wetter, blauer Himmel wie ich ihn seit Chamouny nicht gesehen, Feiertag im Dorfe und auf allen Bergen.» Er war von den Benediktinermönchen eingeladen, am Vormittag dieses Feiertags (Bartholomäus oder nationaler Dank-, Buss- und Bettag?) den Orgeldienst zu versehen, den Nachmittag verbrachte er mit Zeichnen.
Der nordöstliche Gebäudetrakt des Klosters, den man links in dieser Zeichnung erwarten würde, wurde erst in den 1920/30er Jahren hinzugefügt. Im oberen rechten Viertel erkennt man den Gipfel des Titlis.
Mendelssohns Zeichnung stimmt fast genau mit einer alten Schwarzweissfotografie aus dem Jahr 1905 überein. Zeichner und Fotograf müssen fast auf den Meter genau am gleichen Punkt gestanden haben. Lediglich die Berge in der rechten Bildpartie stimmen nicht überein. Betrachtet man das Kloster allein, so ist die Übereinstimmung verblüffend. Nicht selten bezieht Mendelssohn mehr Bildinhalt in seine Zeichnungen mit ein als es der Bildausschnitt seines Zeichenblattes zuliess und verzerrte damit gelegentlich die Perspektive etwas. Eine Standortbestimmung aus der Fotografie ergibt einen Standort am Mühlegraben-Weg (bei 46.82191, 8.40856). Mendelssohn mochte wenige Meter weiter unten gestanden haben. Von diesem Punkt aus versperrt einem heute das Schulhaus den Blick auf das Kloster.
Dies ist die letzte Landschaftszeichnung in diesem Zeichenalbum (d.3).
Engelberg, 24 August 1831
On the previous day, 23 August, Mendelssohn wrote: «… I want to go over to the monastery later and let off some steam at the organ.» He used the two days in Engelberg as rest days to make music, draw, sleep late and read (the two Schiller works Willhelm Tell and The Maid of Orleans).
On 23 August, he did not miss much outdoors – the mountains were shrouded in clouds. Not so the next day, 24 August: «What a day! The most wonderful, cheerful weather, blue skies like I had not seen since Chamouny, a holiday in the village and on all the mountains.» He was invited by the Benedictine monks to provide organ service on the morning of this holiday (St Bartholomew’s day or National Day of Prayer and Repentance?), and spent the afternoon drawing.
The north-eastern wing of the monastery, which one would expect to see on the left of this drawing, was not added until the 1920s and 30s. In the upper right quarter one can see the summit of the Titlis.
Mendelssohn’s drawing corresponds almost exactly with an old black-and-white photograph from 1905. The draughtsman and photographer must have been standing almost exactly to the metre on the same spot. Only the mountains on the right-hand side of the picture do not match. Looking at the monastery alone, the correspondence is astonishing. It is not unusual for Mendelssohn to include more pictorial content in his drawings than the image section of his drawing sheet allowed, occasionally distorting the perspective somewhat. Determining the location from the photograph reveals a location on Muehlegraben Path (at 46.82191, 8.40856). Mendelssohn may have stood a few metres further down. Today, the school building blocks the view of the monastery from this point.
This is the last landscape drawing in this drawing album (d.3).
Upd. 01.06.2025
Engelberg, 25. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Donnerst.[ag] Morg.[en] zeichn[en]. Über Stanz nach Lucern. Bad in Winkel. In / Lucern Brief v.[on] Devr.[ien]t u.[nd] Haus.[er?]. Schnyder v.[on] Wartensee»
Reisetagebuch: «Das Thal wird mir wohl eins der liebsten aus der ganzen Schweiz werden, […] die wunderlieblichen Wiesen, die vielen Bäche, die Häuser, […] sind über Alles schön.»
Der Standort dieser Zeichnung dürfte wenige Meter westlich des heutigen Talmuseums liegen (46.82151, 8.40723). Der Blick ist nach Westen gerichtet, also in die Gegenrichtung der gestrigen Zeichnung (vorletzter Eintrag). Im Vordergrund rechts die vermutete Sägerei (S), die auch in der vorletzten Zeichnung erscheint. Vier weitere Bauten (A-D) sind in beiden Bildern gut identifizierbar.
Ganz links im Hintergrund, teilweise verdeckt durch ein anderes Haus, darf das Dach des Wirtshauses Rössli vermutet werden (R).
Im Hintergrund erkennt man die Berge Huetstock, Nünalphorn, Scheideggstock, Stierendossen und Hohliecht.
Engelberg, 25 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Thursday morning drawing. Via Stanz to Lucern. Bath in Winkel. In / Lucern letter from Devrient and Hauser[?]. Schnyder from Wartensee»
Travel diary: «The valley will probably become one of my favourites in all of Switzerland, […] the wonderful meadows, the many streams, the houses, […] are beautiful above all.»
The location of this drawing is probably just a few metres west of the present Folk Museum (Talmuseum, 46.82151, 8.40723). The view is to the west, i.e. in the opposite direction of yesterday’s drawing (penultimate entry). In the foreground on the right is the assumed sawmill (S), which also appears in the penultimate drawing. Four other buildings (A-D) are easily identifiable in both pictures.
On the far left in the background, partly hidden by another house, one may assume the roof of the Roessli inn (R).
In the background one can see the mountains Huetstock, Nuenalphorn, Scheideggstock, Stierendossen and Hohliecht.
Upd. 02.08.2023
Engelberg - Luzern - Rigi - Schwyz, 25. bis 31. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [leider mit etlichen Unsicherheiten, Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Freitag [26.8.] Vis.[ite] v.[on] Schnyder. Schl.[echter] Fuss. Zeichnen. Nachmitt.[ag] Orgel. Spaz.[ieren] See. Ab.[end] Theater.
Sonnab.[end] Br.[ief] an Devr.[ient]. Nachmitt.[ag] Schnyder. Ab.[end] Br.[ief] an Taubert. […?]
Sonnt.[ag] 28 …[?] Br.[ief] an d.[ie] Eltern. Br.[ief] an Mechetti. Comp.[onieren] nichts. Nachmitt.[ag] Br.[ief] an Hauser. / Ab.[end] Tell u.[nd] Br.[ief] an Goethe anf[angen?].
Mont.[ag] Br.[ief] an Marx (Schl.[echtes] …[?]) Ab.[end] Br.[ief] an Goethe, Theater u.[nd] Post.
Dienst.[ag] Abreise. Hr. Seest[?] [au]s München. Über Küssnacht, Art auf d.[en] Rigi 2¾ St.»
Von diesen sechs Tagen zwischen Engelberg und Schwyz scheint keine einzige Zeichnung überliefert zu sein, obwohl Mendelssohn in dieser Periode endlich wieder einmal schönes Wetter geniessen konnte. Am 26. August schrieb er sogar ausdrücklich in sein kleines Notizbuch «Zeichnen». Vielleicht sandte er diese(s) Werk(e) Briefempfängern als Geschenk, vielleicht vervollständigte er auch angefangene Zeichnungen.
In Luzern legte er eine viertägige Ruhepause ein, die er ähnlich wie in Genf für die Pflege sozialer Kontakte, zwei oder drei Theaterbesuche, Spaziergänge und Briefeschreiben verwendete. Am 29. August, einen Tag vor seiner Abreise von Luzern, vermerkt er im Notizbuch auch das Wort «Post». Mit grosser Wahrscheinlichkeit gab er hier sein Hauptgepäck – sein «Bündel» – nach Trogen im Kanton Appenzell auf, denn er beabsichtigte ja diesen Kanton noch zu durchwandern und auch das Wildkirchli, die Sankt-Michaels Kapelle unterhalb der Ebenalp, zu besuchen. Daraus wurde – wie wir später sehen werden – nichts mehr.
Am 30. August schrieb er ins Tagebuch: «Heut früh ging ich von Luzern weg; alle Berge waren verhängt, die Wetterkundigen prophezeiten schlecht Wetter. Da ich aber bis jetzt immer gefunden habe, dass das Gegentheil von dem eintraf, was die Kundigen sagten, so habe ich mir meine eignen Symptome ausgesucht, und bisher damit ebenso falsch prophezeit, wie die Anderen.» Ein Stück weit marschierte er in Begleitung eines Bekannten aus München. Alleine ging er durch die Hohle Gasse weiter nach Arth, wo er zu Mittag speiste. Plötzlich klarte es auf, «ich ging also tüchtigen Bergschritt, und war in 2 3/4 Stunden auf dem [Rigi] Culm.»
Dort oben erlebte er mit dem Sonnenuntergang ein «neues wunderbares Schauspiel» und tags darauf (31. August) einen ebenso «herrlichen, reinen Sonnenaufgang […] Ich konnte mich nicht von dem Anblick trennen, und blieb noch 6 Stunden fortwährend auf der Spitze und sah den Bergen zu.»
Mendelssohn selbst liefert in seinen Reisetagebuchbriefen Hinweise auf ausserordentliche Atmosphärenphänomene, die im Kapitel Das Unwetterjahr 1831 ganz am Schluss dieses Blogs noch eingehender behandelt werden (siehe auch 10./11. August weiter oben). Auf der Rigi nennt er unter vielen anderen schönen Effekten «…die lange dauernde Morgenröthe…». Zwischen den Zeilen lässt sich ein Zusammenhang mit dem aussergewöhnlichen Effekt herausspüren, der auch in zeitgenössischen Zeitungen für dieses Datum eindrücklich beschrieben wird.
Angesichts dieses langen Aufenthaltes und dieser schwärmerischen Beschreibung verwundert es, dass er auf seiner geliebten Rigi keine Zeichnung gemacht hat. Das eine Zeichenbuch (Oxford MDM d.3) war zwar seit Engelberg voll und befand sich nun möglicherweise in seinem Hauptgepäck auf dem Weg nach Trogen, oder er hat es von Luzern direkt nach Hause geschickt. Im zweiten Album (Oxford MDM d.15) gab es jedoch noch genug leere Seiten. Aber erst am Nachmittag in Schwyz entstand die nächste Zeichnung (siehe nächsten Eintrag). Mendelssohn erwähnt in seinem Tagebuchbrief in Sargans (3.9.) ein «neues» Zeichenbuch, das er sich vermutlich in Luzern beschafft hat, dessen Verbleib jedoch unbekannt ist. Gut möglich, dass er in diesem verschollenen Buch auch eine Zeichnung von der Rigi gemacht hat.
Engelberg - Lucerne - Rigi - Schwyz, 25 to 31 August 1831
Translation of the notebook extract [unfortunately with several uncertainties, symbols and abbreviations written out in full]:
«Friday [26.8.] Visit from Schnyder. Bad foot. Drawing. Afternoon organ. Walking lake. Evening theatre.
Saturday letter to Devrient. Afternoon Schnyder. Evening letter to Taubert. […?]
Sunday 28 …[?] Letter to parents. Letter to Mechetti. Composing. nothing. Afternoon letter to Hauser. / Evening Tell and start [?] letter to Goethe.
Monday Letter to Marx (Bad …[?]) Evening Letter to Goethe, theatre and post.
Tuesday Departure. Mr. Seest[?] from Munich. Via Kuessnacht, Art on the Rigi 2¾ hrs.»
Not a single drawing seems to have survived from these six days between Engelberg and Schwyz, although Mendelssohn was finally able to enjoy fine weather again during this period. On 26 August, he even explicitly wrote «drawing» in his small notebook. Perhaps he sent this/these work(s) as gifts to letter recipients, perhaps he also completed drawings he had already begun.
In Lucerne he took a four-day break, which he spent in a similar way as in Geneva for cultivating social contacts, for two or three visits to the theatre, walks and letter writing. On 29 August, one day before his departure from Lucerne, he also notes the word «post» in the notebook. It is very likely that he had his main luggage sent from Lucerne to Trogen in the canton of Appenzell, because he still intended to hike through this canton and also to visit the «Wildkirchli», the chapel of St. Michael below Ebenalp. As we shall see later, nothing came of this.
On 30 August he wrote in his diary: «This morning I left Lucerne; all the mountains were shrouded in clouds, the weather experts predicted bad weather. But since I have always found that the opposite of what the experts said has come true, I have chosen my own symptoms, and so far, I have prophesied just as wrongly as the others.» He walked a short distance in the company of an acquaintance from Munich. Alone, he continued through the «Hohle Gasse» (hollow alley, hollow, deep defile) to Arth, where he had lunch. Suddenly, it cleared up, «so I went at a brisk mountain pace, and in 2 3/4 hours I was on the [Rigi] Culm.»
Up there, he enjoyed a «new wonderful spectacle» at sunset and the following day (31 August) an equally «magnificent, pure sunrise […] I could not part with the sight and stayed on the top for six hours, watching the mountains.»
In his travel diary letters, Mendelssohn himself provides references to extraordinary atmospheric phenomena, which are discussed in more detail in the chapter The stormy year 1831 at the very end of this blog (see also 10/11 August further above). On the Rigi he mentions, among many other beautiful effects, «…the long-lasting dawn…». Between the lines, a connection with the extraordinary effect can be sensed, which is also impressively described in contemporary newspapers for this date.
In view of this long stay and this rapturous description, it is surprising that he made no drawing on his beloved Rigi. True, the one drawing book (Oxford MDM d.3) had been full since Engelberg and was now possibly in his main luggage on the way to Trogen, or he may have sent it straight home from Lucerne. In the second album (Oxford MDM d.15), however, there were still enough empty pages. But it was not until the afternoon in Schwyz that the next drawing was made (see next entry). In his diary letter, in Sargans (3 September), Mendelssohn mentions a «new» drawing book, which he presumably purchased in Lucerne, but whose whereabouts are unknown. It is quite possible that he also made a drawing of the Rigi in this lost book.
Upd. 05.01.2025
Rigi Kulm, 30./31. August 1831
Mendelssohn traf am späten Nachmittag gewiss als einer der letzten Gäste auf dem Kulm ein. Das Fremdenbuch weist just am Datumswechsel 30./31. August 1831 eine Lücke auf, die professionell von einem Restaurateur durch einen neutralen Papierstreifen repariert wurde. Ein rücksichtsloser Trophäenjäger muss sich hier des Eintrags einer Berühmtheit bemächtigt haben. War es etwa Mendelssohns Eintrag? Vermutlich hatte das «Fremden-Buch», wie es auf dem Buchdeckel betitelt ist, keine formelle Bedeutung, und wahrscheinlich war ein Eintrag nicht obligatorisch. Glücklicherweise ist wenigstens der Eintrag der Mendelssohn Reisegruppe 1822 erhalten (siehe dort).
Den Wirtsleuten des Hotels Rigi-Kulm, Familie Käppeli, danke ich für die freundliche Unterstützung und die Erlaubnis, das Buch fotografieren zu dürfen.
Rigi Summit, 30/31 August 1831
Mendelssohn was certainly one of the last guests to arrive on the Kulm late in the afternoon. There is a gap in the visitors‘ book at the change of date 30/31 August 1831, which was professionally repaired by a restorer using a neutral strip of paper. A ruthless trophy hunter must have taken possession of a celebrity’s entry. Was it Mendelssohn’s entry? Presumably, the «stranger’s book», as it is titled on the cover, had no formal significance, and an entry was probably not mandatory. Fortunately, at least the entry for Mendelssohn’s travelling party in 1822 has been preserved (see there).
I would like to thank the innkeepers of the Hotel Rigi-Kulm, the Kaeppeli family, for their kind support and permission to photograph the book.
Upd. 22.02.2024
Rigi Kulm, August 1831
Natürlich liest sich jedes Gästebuch eines touristischen El Dorado wie ein Who is Who von Prominenten. So auch das von der Rigi. In diesem stach mir in jenen Tagen ein Name besonders ins Auge:
Samuel Finley Breese Morse, der Erfinder des berühmten Punkt-Strich-Codes, erreichte, von Flüelen her kommend, am 27. August 1831 den Rigi Kulm, nur drei Tage vor Mendelssohn. Wie lange Morse dort oben weilte, und ob er Mendelssohn begegnet ist, konnte ich nicht herausfinden.
Rigi, August 1831
Of course, every guest book in a tourist El Dorado reads like a who’s who of celebrities. So does the one from the Rigi. One name in particular caught my eye in those days:
Samuel Finley Breese Morse, the inventor of the famous dot-dash code, reached the Rigi Kulm from Fluelen on 27 August 1831, just three days before Mendelssohn. I was unable to find out how long Morse stayed up there and whether he met Mendelssohn.
Upd. 03.04.2024
Schwyz, 31. August 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Mittw.[och] 31. Rigi bis ½11. Nach Lowerz u.[nd] Schwyz. Dort zeichn.[en] u.[nd] Tageb.[uch] schr.[eiben].»
An diesem Vormittag erlebte Mendelssohn einen prächtigen Sonnenaufgang auf der Rigi, brach erst um halb 11 Uhr auf und beabsichtigte über Schwyz und die Haggenegg («Haken») nach Einsiedeln zu gelangen. Mendelssohn: «Unterwegs aber auf dem steilen Wege nach Lowerz [Lauerz] brach mir mein treuer Regenschirm, der mir zugleich als Bergstock diente, in viele Stücke entzwei, das hielt mich auf, so dass ich lieber hier [in Schwyz] geblieben bin…» Gewiss wollte er sich einen neuen Schirm für die Weiterreise besorgen. Zur Freude seiner Mutter liess er sich hier auch seinen Bart abschneiden! Und am Nachmittag fand er noch Zeit, um diese schöne Zeichnung anzufertigen.
Mendelssohn muss sich an der heutigen Kreuzung Schmiedgasse und Steistegstrasse aufgestellt haben, etwa 200 m südlich des Hauptplatzes und etwas nördlich der Einungskapelle zur schmerzhaften Muttergottes (Zweichappeli). Gut erkennbar sind das Rathaus unter dem Kleinen Mythen, der Archivturm, der damals ein Walmdach trug (heute ein spitzes Zeltdach), und das Grosshus (erbaut anfangs des 17. Jahrhunderts), etwas rechts unterhalb des Grossen Mythen.
Die Aussicht von diesem Standort aus präsentiert sich heute (März 2022, 47.01937, 8.65177) stark verändert: Die meisten der alten Gebäude sind von neuen zumindest teilweise verdeckt. Anderen zeitgenössischen bildlichen Darstellungen zufolge gab es in Schwyz schon viel mehr Häuser als auf Mendelssohns Zeichnung. Gewiss hat er sich auf ein paar der bedeutendsten beschränkt, wohl nicht zuletzt aus Zeitnot!
Schwyz, 31 August 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Wednesday 31. Rigi until ½11. To Lowerz and Schwyz. There drawing and writing diary.»
That morning Mendelssohn experienced a magnificent sunrise on the Rigi, did not set off until half past ten and intended to reach Einsiedeln via Schwyz and the Haggenegg («Haken»). Mendelssohn: «However, on the way down the steep path to Lowerz [Lauerz], my faithful umbrella, which also served me as an alpenstock, broke into many pieces, which held me up, so that I preferred to stay here [in Schwyz]…» He certainly wanted to buy a new umbrella for the onward journey. To his mother’s delight, he also had his beard trimmed here! And in the afternoon, he still found time to make this beautiful drawing.
Mendelssohn must have positioned himself at the present-day intersection of Schmiedgasse and Steistegstrasse, about 200 m south of the main square and slightly north of the chapel of Our Lady of Sorrows (Zweichappeli). The town hall below the Kleiner Mythen, the archive tower, which then had a hipped roof (today a pointed, tented roof), and the Grosshus (built at the beginning of the 17th century), a little to the right below the Grosser Mythen, are easily recognisable.
The view from this site today (March 2022, 47.01937, 8.65177) presents itself much changed: Most of the old buildings are at least partially obscured by new ones. According to other contemporary pictorial representations, there were already many more houses in Schwyz than in Mendelssohn’s drawing. He certainly limited himself to a few of the most important ones, probably not least because of lack of time!
Upd. 10.11.2023
Haggenegg, 1. September 1831
Transkript des Notizbuchauszugs [Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Donnerst.[ag] 1 Sept.[ember] Über d.[en] Haken n.[ach] Einsiedeln. Über Ezel nach Rapperschwyl.»
Zweifellos hat Mendelssohn diese Zeichnung direkt vom Gasthaus Haggenegg aus gemacht (47.05155, 8.68345), das damals schon existierte. Bereits Ende des 15. Jhs. ist eine Pilgerherberge am Jakobsweg dokumentiert. Auch Goethe kam in den 1770er Jahren hier vorbei.
Dargestellt sind das Hakenspitzli und der Kleine Mythen. Am oberen Blattrand bezeichnet er einige Gipfel: «Bristenstock» und abgekürzt «Axen.». Da muss ihm jemand unzutreffende Auskünfte gegeben haben. Der Bristen ist von der Haggenegg aus gesehen hinter dem Kleinen Mythen verdeckt. Und vom «Axenberg» ragt nur der Rophaien über die Vordergrundberge (erster Gipfel neben dem Steilhang). Die Umgebung um die Passhöhe Haggenegg («Haken») mit dem Gasthaus scheint in Mendelssohns Zeit noch wenig bewaldet oder stark gerodet gewesen zu sein.
Die Berge in der rechten Bildhälfte passen zwar nicht gut mit den näheren Bildelementen wie Axenstein, Grütli und dem Dorf Brunnen zusammen. Trotz der kleinen Ungenauigkeiten ein beeindruckendes Werk, für das sich Mendelssohn während einer kurzen Frühstücksrast gewiss nicht viel Zeit nehmen konnte.
Bis auf eine weitere, zehn Jahre später hinzugefügte Zeichnung (Priesnitz) sind die letzten 31 Seiten dieses Zeichenbuchs (d.15) leer geblieben. Somit scheint die hier gezeigte die letzte Landschaftszeichnung zu sein, die 1831 auf Schweizer Boden entstanden ist. Schon tags darauf wurde der bedauernswerte Wanderer wieder von ergiebigen Regenfällen und Unwettern eingeholt, die ihm bis zum Verlassen der Schweiz treu blieben und die ihm das Zeichnen wohl verunmöglichten.
Bis hierher war Mendelssohns Welt noch in Ordnung. Ab Einsiedeln aber kippte seine Stimmung für den Rest des Tages, und am Abend in Rapperswil brachte er in seinem Reisetagebuch einen Wutausbruch zu Papier:
«Ich kann aber vor Wuth kaum zu Worte kommen, die Einsiedler sind ausgebälgte Spitzbuben, haben mich betrogen, irre geführt, alles Mögliche Unangenehme. […] Die Betrugsgeschichte ist zu lang, um sie hier zu erzählen, kurz sie versicherten mich von hier nach Wesen sey 3 Stunden, und als ich hier ankomme findet sichs, dass es mehr als 6 sind, und dass ich den Weg hieher umsonst gemacht habe. […] Nun muss ich morgen hin und her laufen, wie ein Irrwisch.[1]»
In seinem Reisetagebuchbrief liess er sich über die gerade schwelenden polititischen Auseinandersetzungen im Kanton Schwyz und über seinen Führer aus (es war nicht mehr Christian Michel vom Berner Oberland, den er so sehr schätzte!). Das bedeutete für ihn einen unnötigen Umweg von etwa anderthalb Stunden (nicht drei, wie er schreibt!). Auch am Kloster Einsiedeln fand er nur Kritik.
«Gerechtigkeit muss sein, der Weg über den Haken [Haggenegg] ist prächtig.» mässigte er sich im Tagebuch. Er rühmte die «süperben Mythen», die Seen, die Schneeberge und die wunderbare Natur.
[1] – Irrwisch = Irrlicht. Dieses Wort hat er gewiss Goethes Gedicht Walpurgisnacht (Faust) entnommen, das er kurz zuvor in Italien vertont hatte.
Haggenegg, 1st September 1831
Translation of the notebook extract [symbols and abbreviations written out in full]:
«Thursday 1 September Via Haken to Einsiedeln. Via Ezel to Rapperschwyl.»
Mendelssohn undoubtedly made this drawing directly from the inn Haggenegg (47.05155, 8.68345), which already existed at that time. A pilgrims’ hostel on the Way of St James is documented as early as the end of the 15th century. Goethe also passed by here in the 1770s.
The Hakenspitzli and the Kleine Mythen are depicted. At the top of the sheet he labels some peaks: «Bristenstock» and «Axen.» abbreviated. Someone must have given him incorrect information. Indeed, the Bristen is hidden behind the Klein Mythen as seen from Haggenegg. And from the «Axenberg», only the Rophaien rises above the foreground mountains (first peak next to the escarpment). The area around the Haggenegg pass («Haken») with the inn seems to have been little forested or heavily cleared in Mendelssohn’s time.
The mountains in the right-hand half of the picture do not fit well with the nearer elements such as Axenstein, Gruetli and the village of Brunnen. Despite the minor inaccuracies, this is an impressive work, for which Mendelssohn certainly did not have much time during a short breakfast break.
Apart from another drawing added ten years later (Priesnitz), the last 31 pages of this drawing book (d.15) have remained blank. Thus, the one shown here seems to be the last landscape drawing made on Swiss soil in 1831. The very next day, the unfortunate hiker was again caught up in heavy rain and storms, which remained a true companion until he left Switzerland and which probably made it impossible for him to draw.
Up to this point, Mendelssohn’s world was still in order. From Einsiedeln, however, his mood changed for the rest of the day, and in the evening in Rapperswil, he put down an outburst of rage in his travel diary:
«I am so furious, I can hardly find words, the people from Einsiedeln are skinned knaves, have cheated me, led me astray, all sorts of unpleasant things. […] The scam story is too long to be told here, in short, they assured me it would take 3 hours from here to Wesen, and when I arrive here it turns out to be more than 6, and that I made the journey here to no avail. […] So, tomorrow I have to walk back and forth like a madman.[1]»
In his travel diary he let off steam about the smouldering political disputes in the canton of Schwyz and about his guide (it was no longer Christian Michel from the Bernese Oberland, whom he held in such high esteem!). This meant an unnecessary diversion of about one and a half hours for him (not three as he writes!). He also found fault with the Einsiedeln Monastery.
«Justice must be done, the way over the Haken [Haggenegg] is splendid». he tempered himself in his diary. He praised the «superb Mythen» mountains, the lakes, the snowy mountains and the wonderful nature.
[1] – Madman in German «Irrwisch» = «Irrlicht», translated also as will-o’-the-wisp. He certainly picked up this word from Goethe’s poem Walpurgis Night (Faust), which he had set to music shortly before in Italy.
Upd. 15.11.2024
Das nasse Ende der Schweizer Reise 1831 via Rapperswil, Walenstadt, Sargans, St. Gallen nach Lindau/D
Transkript des Notizbuchauszugs [mit Unsicherheiten, Symbole und Abkürzungen ausgeschrieben]:
«Freit.[ag] 2. Nach Uznach ./. [wieder?] Retour[?]. Z[u] Fuss nach Wesen, üb.[er] den See mit gut.[em] / Wind. nach Wallenstatt. dort bleib[en]. Schl.[echtes] Wetter.
Sonnab.[end] 3 Nach Sargans fahren. Grässl.[iches] Wetter. Orgel, zeichnen u.[nd] Tageb.[uch].»
Falls meine Entzifferung der abgekürzten Notiz vom 2. September – «Nach Uznach und wieder retour» – zutrifft, könnte ich mir vorstellen, dass er irgendwo zumindest ein Stück weit zurücklaufen musste, um Absperrungen wegen Unwetterschäden auszuweichen. Ende Juli und in der ganzen ersten August-Hälfte 1831 waren die Kantone Zürich, Glarus und St. Gallen von aussergewöhnlichen Unwettern heimgesucht worden.
Das Notizbuch endet auf Schweizer Boden mit dem Eintrag vom 3. September. Die regnerischen und stürmischen Verhältnisse verwehrten ihm wohl jeden Versuch, das Notizbuch hervorzuholen. Seine Erlebnisse vom 4. und 5. September brachte er erst im Trockenen des Wirtshauses direkt in sein Tagebuch zu Papier.
Die letzten vier Tage musste der schwer geprüfte Wanderer zum wiederholten Mal katastrophales Wetter über sich ergehen lassen (siehe auch Kapitel Das Unwetterjahr 1831 im nächsten Eintrag). Seine Fussreise hatte er praktisch aufgegeben – auf dem letzten Fünftel seiner Schweizer Reisekilometer benutzte er fast nur noch Fahrzeuge. Einzig von Altstätten nach Trogen und St. Gallen (4. September) sah er sich nochmals zu einem Fussmarsch gezwungen, weil es keine Fahrstrasse gab und weil er vermutlich von Luzern sein Hauptgepäck per Post hatte nach Trogen senden lassen. Und dieses Gepäck musste er dort holen. Die Ruppenstrasse zwischen Altstätten und St. Gallen wurde erst 1838 mit dem Projekt von Alois Negrelli verwirklicht. Doch den Humor verliert er nie – am besten lässt man ihn mit Tagebuchauszügen selber zu Wort kommen:
2. September in Walenstadt: «Als ich über den [Walen-] See fuhr prophezeiten die Schiffer vortreffliches Wetter, folglich fing es eine halbe Stunde drauf zu regnen an, und hört wol so bald nicht auf, denn die Wolken hängen wieder so traurig schwer, wie man es nur im Gebirge kennt.» Und während des Orgelspielens in Walenstadt: «Draussen regnete und stürmte es indessen ganz entsetzlich.»
3. September in Sargans: «Trostloses Wetter, es hat wieder die ganze Nacht durch und den Morgen geregnet, ist dabey schneidend kalt wie im Winter, auf den nächsten Hügeln liegt schon tiefer Schnee.» Und am Abend: «Gute Nacht, es schlägt achte in f moll und regnet und stürmt in fis moll oder gis moll in allen möglichen Kreuztonarten.»
4. September in St. Gallen: «Die vier Stunden über die Berge von Altstetten hieher, waren ein förmlicher Kampf gegen das Wetter. Wenn ich sage, dass ich was Ähnliches weder erlebt, noch für möglich gedacht hatte, so will es noch nichts sagen; aber den ältesten Leuten des Cantons gehts ebenso. Eine grosse Fabrik ist zertrümmert und mehrere Leute umgekommen.»
5. September in Lindau: «Mir gegenüber liegt die Schweiz mit ihren dunkelblauen Bergen, mit der Fussreise, den Stürmen, den geliebten Höhen und Thälern, […]. Heut Mittag fuhr ich in einer Fähre über den wilden grauen Rhein oberhalb Rheineck. […] Vier Tage lang hat es unaufhörlich, nur mehr oder weniger heftig geregnet. Es war als ob der liebe Gott verdriesslich sey. Ich kam heut durch weite Obstgärten, die nicht unter Wasser, sondern unter Schlamm und Lehm standen, alles sieht kläglich und niederschlagend aus.»
The wet end of the Swiss journey 1831 via Rapperswil, Walenstadt, Sargans, St. Gallen to Lindau (Germany)
Translation of the notebook extract [with uncertainties, symbols and abbreviations written out in full]:
«Friday 2. to Uznach ./. [again?] Return[?]. On foot to Wesen, across the lake with good / wind. to Wallenstatt. stay there. Bad weather.
Saturday 3 to Sargans by coach. Ghastly weather. Organ, drawing and diary.»
If my deciphering of the abbreviated note of 2 September – «To Uznach and back again» – is correct, I imagine that he might have had to walk at least a little way back somewhere in order to avoid barriers due to storm damage. At the end of July and throughout the first half of August 1831, the cantons of Zurich, Glarus and St. Gallen were hit by exceptional storms.
The notebook ends on Swiss soil with the entry of 3 September. The rainy and stormy conditions probably prevented him from making any attempt to get the notebook out. He wrote down his experiences of 4 and 5 September in the dry of the inn directly into his diary.
For the final four days, the harshly tried hiker had to endure catastrophic weather once more (see also chapter The stormy year 1831 in the next entry). He had practically given up travelling on foot – on the last fifth of his Swiss travel kilometres he almost only used vehicles. Only from Altstaetten to Trogen and St. Gallen (4 September) was he forced to walk again because there was no road and because he had his main luggage sent probably from Lucerne to Trogen by post. And he had to fetch this luggage there. The Ruppen road between Altstaetten and St. Gallen was not realised until 1838 with the project by Alois Negrelli. But he never loses his sense of humour – it is best to let him speak for himself with diary excerpts:
2 September in Walenstadt: «When I crossed the lake [Walensee], the boatmen predicted excellent weather, hence it started raining half an hour later and will probably not stop any time soon, because the clouds are again hanging so sadly heavy, as you only know it in the mountains.» And while playing the organ in Walenstadt: «Outside it was raining and storming terribly.»
3 September in Sargans: «Desolate weather, it has rained again all night and all morning, it is as cold as in winter, there is already deep snow on the nearest hills». And in the evening: «Good night, it strikes eight o’clock in F minor and rains and storms in F-sharp minor or G-sharp minor in all possible sharp keys.»
4 September in St. Gallen: «The four hours over the mountains from Altstetten to here were a real battle against the weather. If I say that I had neither experienced anything like it, nor thought it possible, that does not mean anything; but the oldest people in the canton feel the same way. A large factory has been smashed to pieces and several people have perished.»
5 September in Lindau: «Opposite me lies Switzerland with its dark blue mountains, with its foot travels, its storms, its beloved heights and valleys, […]. Today at noon I took a ferry across the wild grey Rhine above Rheineck. […] For four days it has rained incessantly, only more or less heavily. It was as if the good Lord was annoyed. Today, I passed through wide orchards which were not under water but under mud and clay, everything looks miserable and gloomy.»
Upd. 07.11.2025
«Auch der vom Freitag den 2. bis Montag den 5. diess anhaltende Regen hat wiederum an verschiedenen Orten Schaden und Bergschlipfe verursacht. Sonntag [4.] besonders war ein äusserst stürmischer und schauerlicher Tag. – Auffallend war der schnelle Wechsel der Temperatur, der nach dem Gewitter vom Freitag Mittags sich einstellte. Am Samstag Morgen stand der Thermometer nur 5 Grade über dem Eispunkt; es lag Schnee bis nach Hütten hinunter, und auf dem Rigi lag er beim Klösterli beinahe 2 Fuss hoch.
…
Letzten Freitag den 2. Sept. Nachmittags wurden die Thurgauischen Gemeinden [… 13 aufgelistet] von einem schrecklichen Hochgewitter heimgesucht. An einigen Orten fielen Schlossen wie die grössten Baumnüsse, so dass in Zeit von einer halben Stunde aller diessjährige Ertrag der noch im Felde stehenden Früchten, Reben und Bäume total vernichtet wurde.»
Translation of the newspaper articles:
«Also from Friday the 2nd to Monday the 5th of this month, the lasting rain again caused damage and landslides in various places. Sunday [4th], in particular, was an extremely stormy and gruesome day. – The rapid change in temperature after Friday’s thunderstorm at noon was striking. On Saturday morning the thermometer was only 5 degrees above freezing; there was snow as far down as Huetten, and on the Rigi mountain it was almost 2 feet high at the Kloesterli (little monastery).
…
Last Friday, Sept. 2, in the afternoon, the Thurgau communities [… 13 listed] were hit by a terrible thunderstorm. In some places, the hailstones fell like the largest walnuts, so that within half an hour all of this year’s yield of fruit, vines and trees still standing in the fields was totally destroyed.»
Upd. 11.01.2025
In 24 Stunden von Sommerhitze zu Schneefall:
«C. Bern. Auf die äusserst drückende Hitze des 1. Sept. folgte am Abend ein heftiges, über Trubschachen und Trub sich entleerendes Gewitter. […]
Auf dieses Ungewitter kühlte sich die Atmosphäre plötzlich so ab, dass in der Nacht vom 2. auf den 3. Schnee fiel, der beinahe den ganzen Tag liegen blieb, so dass man Schneeballen machen konnte. Noch den 4. war er auf den Hügeln liegen geblieben.»
Translation of the newspaper article:
«C. Bern. The extremely oppressive heat of 1 Sept. was followed in the evening by a violent thunderstorm that emptied over Trubschachen and Trub. […]
After this thunderstorm, the atmosphere suddenly cooled down so much that snow fell in the night of the 2nd to the 3rd, which remained almost the whole day, so that one could make snowballs. On the 4th it remained on the hills.»
Upd. 11.01.2025
Das Unwetterjahr 1831
Im Sommer 1831 litt ganz Mitteleuropa unter ungewöhnlich zahlreichen verheerenden Unwettern. Allein durch Mendelssohns eigene Beschreibungen erfährt man von mindestens zwei getrennten Wetterextremen mit folgenschweren Auswirkungen. Berücksichtigt man auch zeitgenössische Zeitungsberichte, so muss es während Mendelssohns Reisedauer in der Schweiz 1831 aber mindestens noch ein oder zwei weitere ausserordentliche, weiträumige Ereignisse gegeben haben, sowie viele kürzere und lokale starke Gewitter. Alle paar Tage prasselten baumnussgrosse und sogar eiergrosse Hagelkörner herunter und führten zu Ernteausfällen.
Zwei mehrtägige Unwetter-Phasen in der zweiten Juli-Hälfte betrafen vor allem die Nordschweiz, Süddeutschland und Österreich. Von diesen bekam Mendelssohn nicht viel mit. Vom 7. bis 9. August wurde kaum ein Kanton von schrecklichen Verwüstungen und Zerstörungen verschont. Viele Menschen verloren ihre Existenz oder sogar ihr Leben. Anhaltender Regen vom 2. bis 5. September führte nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Elsass und in Deutschland zu enormen Schäden. Im Kanton Bern wurde berichtet, dass auf die äusserst drückende Hitze des 1. September am Abend ein heftiges Gewitter folgte. Am darauffolgenden Tag kühlte sich die Atmosphäre so plötzlich ab, dass in der Nacht auf den 3. September Schnee fiel. Und nicht wenig! In Meiringen (600 m.ü.M.) waren es über 20 cm, in Frutigen (800 m.ü.M.) «zwei Fuss» hoch! Die zwei letztgenannten Unwetter erlebte Mendelssohn hautnah und beschrieb sie eindrücklich!
Während dem so genannten Dalton Minimum (ca. 1790-1830, Teilperiode der kleinen Eiszeit) traten kühle und feuchte Wetterverhältnisse häufig auf. Die Gletscher befanden sich damals noch auf dem Vormarsch. Mendelssohn äusserte sich am 18. August 1831 fasziniert von diesen Eisströmen: «… und das unheimliche Vorrücken [der Gletscher] – sie sind zuweilen 1½ Fuss des Tags vorwärts gegangen, so dass den Leuten im Dorfe angst und bange wurde wie der Gletscher so ruhig ankam und so unwiderstehlich, denn er drückt dann Steine und Felsen entzwei, wenn sie ihm in dem Wege liegen – dann ihr böses Krachen und Donnern…»
Auffallend: Auf der ganzen nördlichen Erdhalbkugel wurden in den Monaten August bis Oktober geheimnisvolle optische Atmosphären-Phänomene beobachtet: Trockennebel sorgten für blasse, seltsam verfärbte, grüne, blaue und violette Sonnenscheiben sowie tiefrote und lang anhaltende Dämmerungsphasen. Gelegentlich konnte man sogar mitternachts ohne Licht Kleingedrucktes lesen!
Es gilt als erwiesen, dass die Ursache der seltenen Atmosphärenerscheinungen hauptsächlich in erhöhter vulkanischer Aktivität lag. Neueste Studien* haben gezeigt, dass hauptsächlich die aussergewöhnlich heftigen Eruptionen des Zavaritskii in den Kurilen im Nordpazifik (46.9158, 151.9503) im Frühling/Sommer 1831 für diese Erscheinungen, für eine schreckliche Hungersnot im indischen Guntur im Jahr darauf und möglicherweise auch für die Wetterkapriolen in Mitteleuropa verantwortlich waren. Ähnliche Wettermuster folgten vielerorts auch den grossen Eruptionen des Lakagigar auf Island 1783, des Tambora in Indonesien 1815 und vielen anderen Vulkanausbrüchen.
An zwei Stationen seiner Reise lassen sich in Mendelssohns Aufzeichnungen Hinweise auf die verbreitet beobachteten optischen Atmosphären-Phänomene finden. Siehe 10./11. August und 31. August 1831 auf diesem Blog. Über diese ausserordentlichen Sichtungen findet man sogar in zeitgenössischen Zeitungen vereinzelte Hinweise – nachstehend zwei eindrückliche Beispiele für die zwei Daten, an denen sich unser Reisender guten Wetters erfreuen konnte. Zwar ist darin ausdrücklich vom Abend des 30. August die Rede, jedoch ist so gut wie sicher, dass dieser Effekt auch am darauffolgenden Morgen angehalten hat. Und was in Genf bzw. St. Gallen beobachtet wurde, konnte gewiss in der ganzen Schweiz und sogar weiträumig über die Landesgrenzen hinaus beobachtet werden.
Journal de Genève, Nr. 38, Jeudi 22 septembre 1831, Seite 168 (www.letempsarchives.ch), übersetzt aus dem Französischen:
«Wir fügen hinzu, dass in Genf am 10. August, […] Kurz vor Sonnenuntergang und noch eine Stunde danach schien der Horizont im Nordwesten zu brennen; eine schöne purpurne Farbe zeigte sich am Himmel in einem Bogen von etwa 70 Grad Ausdehnung und bis zu 40 Grad Höhe über dem Horizont. Dieses Phänomen wiederholte sich noch einmal in grosser Schönheit und zeigte eine noch intensivere rote Farbe als beim ersten Mal, bei ruhigem Wetter und reinem Himmel, am 30. August, von 7 bis 8.30 Uhr abends.»
Der Erzähler, Nr. 47, St. Gallen, Freitags, den 25. November 1831 (Wetter-Tabelle für den Monat August 1831, St. Gallen, e-newspaperarchives.ch):
«Am 30. nach Sonnen-Untergang erzeigte sich wieder (wie bereits, doch in schwächerm Masse, schon einigemale früher) eine so lebhafte ausgezeichnete und verlängerte Abendröthe, dass bei vielen die Befürchtniss einer entfernten grossen Feuersbrunst entstand, auch manche Böttcher mit ihren Wasserbutten zur Hülfeleistung herbeieilten.»
*) The 1831 CE mystery eruption identified as Zavaritskii caldera, Simushir Island (Kurils), published December 30, 2024, PNAS, by William Hutchison, Michael Sigl, etc.
The stormy year 1831
In the summer of 1831, the whole of Central Europe suffered from an unusually large number of devastating storms. Mendelssohn’s own descriptions alone tell us of at least two separate weather extremes with disastrous effects. If one also takes into account contemporary newspaper reports, there must have been at least three or four separate extraordinary large-scale events during Mendelssohn’s journey through Switzerland in 1831, as well as many shorter and localised severe thunderstorms. Every few days, hailstones the size of walnuts and even eggs pattered down and led to crop failures.
Two severe weather phases lasting several days in the second half of July mainly affected northern Switzerland, southern Germany and Austria. Mendelssohn did not notice much of these. From 7 to 9 August, hardly any canton was spared the terrible devastation and destruction. Many people lost their livelihoods or even their lives. Persistent rain from 2 to 5 September caused enormous damage not only in Switzerland, but also in Alsace and Germany. In the canton of Berne, it was reported that the extremely oppressive heat of September 1 was followed by a heavy thunderstorm in the evening. The following day, the atmosphere cooled down so suddenly that snow fell in the night of 2nd to 3rd September. And not little! In Meiringen (600 m.a.s.l.) a little less than a foot, in Frutigen (800 m.a.s.l.) two feet! Mendelssohn experienced the latter two storms up close and described them vividly!
During the so-called Dalton Minimum (approx. 1790-1830, a subperiod of the Little Ice Age), cool and humid weather conditions occurred frequently. The glaciers were still advancing at that time. Mendelssohn expressed his fascination with these ice streams on 18 August 1831: «… and the uncanny advance [of the glaciers] – they sometimes advanced 1½ feet per day, so that the people in the village were frightened and anxious as the glacier arrived so quietly and so irresistibly, because it then crushes stones and rocks in two when they lie in its path – then their evil crashing and thundering…»
Strikingly, mysterious optical atmospheric phenomena were observed throughout the northern hemisphere in the months of August to October: Dry fog caused pale, strangely coloured, green, blue and violet solar discs as well as deep red and long-lasting twilight phases. Occasionally one could even read small print at midnight with no light!
It is considered proven that the cause of these rare atmospheric phenomena was mainly due to increased volcanic activity. Recent studies* have shown that the exceptionally violent eruptions of Zavaritskii in the Kuril Islands in the North Pacific (46.9158, 151.9503) in spring/summer 1831 were mainly responsible for these phenomena, for a terrible famine in Guntur, India, the following year and possibly also for the capricious weather conditions in Central Europe. Similar weather patterns had followed the major eruptions of Lakagigar in Iceland in 1783, Tambora in Indonesia in 1815 and many other volcanic eruptions.
At two stations on his journey, Mendelssohn’s notes contain references to the optical atmospheric phenomena that were widely observed. See 10/11 August and 31 August 1831 on this blog. There are even isolated references to these extraordinary sightings in contemporary newspapers – below are two impressive examples for the two dates on which our traveller enjoyed good weather. Although they specifically mention the evening of 30 August, it is almost certain that this effect continued the following morning. And what was observed in Geneva and St. Gallen could certainly be observed throughout Switzerland and even far beyond the country’s borders.
Journal de Genève, Nr. 38, Jeudi 22 septembre 1831, Seite 168 (www.letempsarchives.ch), translated from French:
«We would add that in Geneva, on 10 August, […] A little before sunset, and again an hour later, the horizon appeared to be on fire to the north-west; a beautiful purple colour was visible in the sky in an arc about 70 degrees across and up to 40 degrees above the horizon. This phenomenon was repeated again with great beauty, presenting a more intense red colour than the first time, in calm weather and a clear sky, on 30 August, from 7 to 8.30 in the evening.»
Der Erzähler, Nr. 47, St. Gallen, Friday, 25 November 1831 (weather table for the month August 1831 in St. Gallen, e-newspaperarchives.ch), translated from German:
«On the 30th after sunset there was again (as several times before, though to a lesser extent) such a lively, excellent and prolonged evening glow that many feared a distant great blaze, and some coopers rushed to help with their water casks.»
*) The 1831 CE mystery eruption identified as Zavaritskii caldera, Simushir Island (Kurils), published December 30, 2024, PNAS, by William Hutchison, Michael Sigl, etc.
Upd. 15.01.2025
