Undatierte Werke von Mendelssohn mit Bezug zur Schweiz
Undated works by Mendelssohn with reference to Switzerland
Die drei nachfolgend gezeigten Aquarelle stammen aus dem als Bilderbuch für Kinder bekannten Album. Nach dem vorläufigen Verzeichnis von Ralf Wehner 2017 lässt sich für keine der Zeichnungen eine Bleistiftvorlage nachweisen. Aus diesem Album seien nachstehend nur drei mit Bezug zur Schweiz gezeigt. Die Zeichnungen tragen weder Titel noch ein Datum. Vor Ort hat Mendelssohn lediglich auf seiner letzten Schweizer Reise 1847 aquarelliert. Die übrigen Aquarelle muss er zu Hause frei aus seiner Erinnerung gemalt haben.
The three watercolours shown below are from the album known as a picture book for children. According to Ralf Wehner’s preliminary index 2017, there is no evidence of a pencil model for any of the drawings. From this album, only three with reference to Switzerland are shown below. The drawings bear neither a title nor a date. Mendelssohn only drew watercolours on location during his last trip to Switzerland in 1847. He must have painted the other watercolours freely from his memory at home.
Hinteres Lauterbrunner Tal
Hierbei handelt es sich um ein grob nachempfundenes Landschaftsbild aus Mendelssohns Erinnerung. Die Route Interlaken-Lauterbrunnen-Wengernalp-Grindelwald hat er auf jeder seiner drei ersten Schweizer Reisen begangen. Die Perspektive entspricht etwa einem Standort auf dem Anstieg von Lauterbrunnen nach Wengen (z.B. etwa bei 46.5998, 7.9163).
Die schroffen Bergspitzen haben wenig Ähnlichkeit mit der Realität. Die beiden Schneeberge in der Mitte könnten das Grosshorn und/oder das Breithorn darstellen. Die Jungfrau würde sich deutlich links ausserhalb des linken Bildrandes befinden.
Die Felsnadel auf der rechten Talseite auf halber Höhe der Berge weist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Mönchsbüffel auf, der in Wirklichkeit jedoch auf der linken Talseite steht.
Das Dörfchen im engen Taleinschnitt könnte Stechelberg darstellen. Die auf einem Hügel alleine stehende Kirche rechts unten ist frei erfunden. Jene von Lauterbrunnen würde sich ausserhalb des rechten Bildrandes befinden.
Upper Lauterbrunnen valley
This is a roughly recreated landscape image from Mendelssohn’s memory. He walked the route Interlaken-Lauterbrunnen-Wengernalp-Grindelwald on each of his first three trips to Switzerland. The perspective roughly corresponds to a location on the climb from Lauterbrunnen to Wengen (for example at about 46.5998, 7.9163).
The rugged mountain peaks bear little resemblance to reality. The two snow mountains in the middle could represent the Grosshorn and/or the Breithorn. The Jungfrau would be clearly outside the left edge of the picture.
The rock needle on the right side of the valley halfway up the mountains bears some resemblance to the Moenchsbueffel, but in reality it is on the left side of the valley.
The little village in the narrow valley between the sheer rock faces may represent Stechelberg. The church standing alone on a hill on the lower right is fictitious. That of Lauterbrunnen would be outside the right edge of the picture.
Schweizer Landschaft, Stadt am See, im Hintergrund schneebedeckte Berge
Dieses Werk ist eine Fantasie-Zeichnung mit einigen mehr oder weniger gut nachempfundenen authentischen Elementen, die aber örtlich und perspektivisch nicht zusammenpassen.
Dass die Hintergrundberge eine recht hohe Ähnlichkeit mit dem so genannten «Dreigestirn» aufweisen, verwundert kaum, denn diese Kolosse übten eine ungeheure Faszination auf den Künstler aus. Ganz links vermutet man also den Eiger, dann den Kleinen Eiger (heutiger Name Mönch) und die Jungfrau, gefolgt vom etwas niedrigeren Silberhorn, dann vielleicht Grosshorn und Breithorn?
Der nasenförmige Berg etwas rechts der Mitte im Mittelgrund erinnert stark an den Sommet de l’ardève, den er 1831 von Riddes aus gezeichnet hatte (Wallis).
Die Schlösser von Oberhofen und Spiez am Thunersee kommen demjenigen in der Zeichnung am nächsten, passen aber beide nicht zur dargestellten Bergwelt. Von beiden Schlössern ist mir keine Zeichnung von Mendelssohn bekannt.
Swiss landscape, town by a lake, snow-covered mountains in the background
This work is a fantasy drawing with some authentic elements more or less well recreated, but which do not fit together in terms of location and perspective.
That the background mountains bear a fairly close resemblance to the so-called «triumvirate» is hardly surprising, for these colossi exerted a tremendous fascination on the artist. So on the far left one assumes the Eiger, then the Kleiner Eiger (today’s name Moench) and the Jungfrau, followed by the somewhat lower Silberhorn, then perhaps Grosshorn and Breithorn?
The nose-shaped mountain a little to the right of the centre in the middle ground is strongly reminiscent of the Sommet de l’ardève, which he had drawn from Riddes in 1831 (Valais).
The castles of Oberhofen and Spiez on Lake Thun come closest to the one in the drawing, but neither fits the mountain world depicted. I am not aware of any drawing by Mendelssohn of either castle.
Lauterbrunnen (mit Staubbach-Wasserfall)
Dieses Aquarell entspricht wahrscheinlich etwa dem Blick aus dem Fenster seines bevorzugten Gasthauses Steinbock in Lauterbrunnen und dürfte recht authentisch sein (46.5975, 7.9077).
Denn auch in diesem Bild ist die Jungfrau mit dem Silberhorn gut erkennbar, ein Anblick, der sich unauslöschlich in Mendelssohns Gedächtnis eingebrannt hat (14. August 1831: «… es fiel mir schwer von der Jungfrau wegzusehen.»)
Dass er zwei Wasserfälle malt, erstaunt etwas, denn von Lauterbrunnen aus sieht man gewöhnlich nur den Staubbachfall. Ob etwa das äusserst regenreiche Jahr 1831 so viel Wasser brachte, dass sich zusätzliche Fälle bildeten?
Lauterbrunnen (with Staubbach waterfall)
This watercolour probably corresponds roughly to the view from the window of his favourite inn Steinbock (Capricorn) in Lauterbrunnen and is likely to be quite authentic (46.5975, 7.9077).
For in this picture, too, the Jungfrau with the Silberhorn is clearly recognisable, a view that was indelibly etched in Mendelssohn’s memory (14 August 1831: «… it was difficult for me to look away from the Jungfrau.»)
The fact that he painted two waterfalls is somewhat surprising, because from Lauterbrunnen one usually only sees the Staubbach Fall. Could it be that the extremely rainy year of 1831 brought so much water that additional falls were formed?
